Vor allem in größeren Städten sieht man ihn häufig als mobile Espresso-Bar oder veganen Food-Truck: Der Citroen HY. Ihren Ursprung hat die rollende Wellblechbude allerdings weniger im hippen Bereich der fahrbaren Gastronomie, sondern eher im Segment der praktischen Nutzfahrzeuge. Die bisher längste Bauzeit für einen Kleintransporter, nämlich 33 Jahre, zeigt seine robuste Zuverlässigkeit, die nicht nur Handwerker überzeugte, sondern Polizei, Feuerwehr, Post und Krankenhäuser. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde er 1947, noch vor dem 2 CV (Ente) und vor dem Konkurrenten VW T1 (Bulli), Er trat die direkte Nachfolge des nur kurz gebauten Citroën TUB an und konnte bereits ein Jahr nach seiner Präsentation in Serie gefertigt werden. Den Namen TUB behielten die Franzosen für den HY weswegen er dort auch immer noch gerne so genannt wird. Bis zum Ende der Produktion im Jahr 1981 liefen fast 500.000 Exemplare des Citroën HY vom Band. Außergewöhnlich war die selbsttragende, mit gewelltem Blech beplankte Karosserie. Durch die Formgebung konnte das Blech auf eine Dicke von 0,5 mm reduziert werden, was für ein niedriges Fahrzeuggewicht und somit für eine höhere Nutzlast sorgte. Den gleichen Gedanken hegten schon die deutschen Flugzeugbauer als sie die „JU 52“ konstruierten. Die Ähnlichkeit der beiden hat durchaus seinen Grund.
Das raumsparende Fahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn, parallelen Schwingen hinten und Drehstabfederung an beiden Achsen ermöglichte eine niedrige Ladekante, welche nur 35 cm über dem Boden lag. Motor und Getriebe kamen von der Limousine Traction Avant und später der DS (die Göttin), jedoch jeweils umgekehrt eingebaut, d.h. mit dem Motor vor der Vorderachse und mit entgegengesetzter Motor-Drehrichtung. Die Motorenauswahl war überschaubar: Es gab zwei Ottomotoren mit 1,6 l und 1,9 l Hubraum (25-35 kW) und drei Dieselmotoren mit gleichem Hubraum, aber bis immerhin 42 kW Leistung. Letztere fordern echte Liebe und hartes Einstecken – sie sind sehr laut, rauh und lahm. Aber die Motoren waren ausdauernd und nahezu unkaputtbar. Allerdings ist die Lärmentwicklung enorm, Motor- und Abrollgeräusche dringen so gut wie ungefiltert in den Innenraum. Eine Geräuschdämmung gab es nicht und auch nachträglich lässt sich da nicht allzu viel machen, schließlich befindet sich der Motor zum Großteil direkt zwischen Fahrer und Beifahrer und die abdeckende Blechhaube ist so knapp bemessen, dass für Dämm-Material so gut wie kein Platz ist. Das gleiche gilt für Räder und Antriebwellen, auf denen man im wahrsten Sinne des Wortes sitzt und die einen den Straßenzustand hautnah spüren lassen.
Komfort stand einfach nicht im Lastenheft und gibt es auch (fast) nicht. Alles am HY ist auf Funktionalität und Praxistauglichkeit ausgelegt. Viele daraus resultierende Lösungen sind schlichtweg genial, heute aber nicht mehr ganz zeitgemäß. Das Blechkleid ist insgesamt solide verarbeitet, aber mit den Citroën-typischen Schwachpunkten. In den Sicken des Blechs und an den Schweißpunkten der Holme sammelt sich gerne Dreck, der im Laufe der Zeit unweigerlich für Rost sorgt, ebenso wie in allen, als Vierkant ausgelegten Holmen, die nicht zugänglich sind. Am Augenscheinlichsten ist dies oft an der Reserverad- und Tankklappe zu sehen, die den Aufwirbelungen der Vorderräder ausgeliefert sind, sowie rund um die 3-teilige Heckklappe; auch die Regenrinne ist dort bedroht. Tragende Fahrzeugteile überleben wegen ihrer Materialstärke deutlich länger. Beim Kauf gilt wie bei allen Citroens, je weiter südlich das Objekt der Begierde zum Verkauf steht, desto besser. Da die meisten HY zweckerfüllend als Nutzfahrzeuge eingesetzt und entsprechend behandelt wurden, wird es immer schwieriger, ein gut erhaltenes und vor allem bezahlbares Exemplar zu finden.