Eigentlich haben über 100 Jahre alte Segelschiffe keine Verbrennungsmotoren, könnte man denken. Wofür es dann doch welche an Bord gab, ist interessant. Für den Antrieb des Schiffes war es jedenfalls nicht.
Der Betrieb der 1911 in Dienst gestellten Viermast-Stahlbark Peking bestand wie bei Segelschiffen üblich, aus Wind und Muskelkraft. Da die Peking auch keine Hilfsmotoren zum Ein- und Auslaufen hatte, war sie im Hamburger Hafen auf Schlepperhilfe angewiesen, genauso bei Sturm im Ärmelkanal. Voll aufgetakelt war das Frachtschiff damals allerdings schneller als ein Dampfschiff.
Anstatt für Antrieb zu sorgen, standen die Hilfsmotoren nämlich an Deck, um das Laden und Löschen der über 60 kg schweren Salpeter-Säcke zu erleichtern, wurden aber auch zum Aufladen der Batterien für den Funkraum genutzt. Mit dieser Erleichterung konnten die Liegezeiten in Chile und Hamburg deutlich verkürzt werden. Anders als viele andere Konkurrenten hatte die Reederei Laeisz keine Dampfwinden an Bord ihrer Schiffe installiert, da diese gern einmal in Flammen aufgingen oder explodierten. Seit 1897 ließ Laeisz mit Petroleum betriebene Einzylinder-Motoren der Motorenfabrik Oberursel einbauen, die die Bezeichnung „Gnom-Motor“ trugen. Die Namensgebung Gnom wurde wegen seiner gedrungenen, sehr stabilen und kräftigen Bauart gewählt. Der Motor war mit 2 m × 2,40 m × 1,70 m (H×B×T) für damalige Verhältnisse besonders platzsparend dimensioniert.
Der Konstrukteur und Erfinder Willy Seck, Sohn des Firmengründers der Motorenfabrik Oberursel, entwickelte diesen Stationärmotor, der sich mit Solaröl (ein aus Braunkohle gewonnener Kraftstoff), Gas oder Petroleum betreiben ließ. Ende des Jahres 1891 konnte er der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Begeisterung und guten Absatz löste der Motor vor allem in der Landwirtschaft und beim Kleingewerbe aus und räumte auf den seinerzeit wichtigen Ausstellungen etliche Preise und Medaillen ab. Die Produktion des Motors ging in die tausende und durch die Installation als Seilwinden auf den großen Seglern der Zeit, wurden die Motoren in alle Welt gebracht. Erfolgreich geworden mit den Stationärmotoren „Gnom“ und dementsprechend gewachsen, entwickelte sich die Motorenfabrik Oberursel Anfang des 20. Jahrhunderts zum zweitgrößten Hersteller für Motorlokomotiven in Deutschland. Mit den während des Ersten Weltkriegs gebauten Oberurseler Umlaufmotoren wurden die ersten deutschen Jagdflugzeuge ausgerüstet, die mit dem Fokker-Dreidecker des „Roten Barons“ in Erinnerung geblieben sind.
Zurück zur Peking. Ihre Originalmotoren waren in den 1930er Jahren in England abhandengekommen, als der „Hamborger Veermaster“ dort als Schulschiff auflag. Nach langer Recherche von Mitgliedern des Vereins
„Freunde der Viermastbark PEKING“ wurde eines der wenigen noch erhaltenen Gnom-Exemplare bei einem Motorensammler in Bingen am Rhein entdeckt. Allerdings war der Sammler nicht zu einem Verkauf des 1906 gebauten Motors bereit, sondern nur zum Tausch gegen einen anderen, für ihn wichtigen historischen Motor. Diesen fand er in einem Einzylinder-Dieselmotor der Marke MAN, wie er im „Wasser-Forum“ in Rothenburgsort stand. Dieser Motor aus dem Jahr 1911 wurde im Wasserwerk Billbrook eingesetzt und sollte den Betrieb der Filteranlagen für die Aufbereitung des Grundwassers sicherstellen. Die Stiftung Historische Museen Hamburg als heutige Eigentümerin der Peking war in den Prozess mit eingebunden und begrüßte die Rekonstruktion dieses wichtigen Ausstattungsdetails. Da dies der einzige, quasi unbezahlbare, Gnom-Motor auf dem Markt war, wurde das Tauschgeschäft perfekt gemacht.
Die folgenden Bilder entstammen einem 2012 in Ungarn gefundenen baugleichen Gnom-Motor, der nach seiner Überführung von Mitgliedern des Geschichtskreis Motorenfabrik Oberursel für das Werksmuseum am Standort Rolls-Royce Deutschland in Oberursel fachgerecht instandgesetzt wurde.//