SCR-Anlage und andere Technologien machen Motoren umweltfreundlicher
Was ist der Marine-Antrieb der Zukunft? Daran arbeiten Ingenieure weltweit. Im Blick: Brennstoffzellen, alternative Kraftstoffe und Batterien. Doch diese Technologien sind noch nicht soweit. Bis sie markterprobt sind, wird es noch Jahre dauern. Saubere Motoren sind jedoch heute schon gefragt – und verfügbar. In Kombination mit einer SCR-Anlage, die die Stickoxide stark reduziert, ist der Dieselmotor eine umweltfreundliche Alternative.
In der US-amerikanischen San Francisco Bay achtet man besonders genau auf den Ausstoß schädlicher Emissionen, denn die Küstenregion ist geschützt und gilt als Kaliforniens wichtigstes Biotop. WETA Ferries betreibt in der Bay 15 Passagierfähren, die im täglichen Betrieb Pendler und Touristen transportieren – vor der Covid-19-Pandemie waren das mehr als drei Millionen pro Jahr. WETA Ferries ist mit den neuesten Schiffen seiner Flotte ein absoluter Vorreiter: Die neuen Katamarane – die ersten in den USA – erfüllen die US-amerikanische Emissions-Richtlinie EPA Tier 4. Dafür wurde der erste Katamaran Pyxis von der American Ship Review als Schiff des Jahres 2020 ausgezeichnet. Ein Grund dafür ist das Antriebssystem der Fähren: zwei 16-Zylinder-mtu-Dieselmotoren der weiterentwickelten Baureihe 4000 in Kombination mit der von Rolls-Royce entwickelten mtu-SCR-Anlage sorgen dafür, dass die Fähren die strikten Emissions-Richtlinien einhalten.
Die aktuellen Emissions-Richtlinien stellen Schiffsarchitekten, Werften, Betreiber und Motoren-Hersteller vor Herausforderungen. Denn die Motoren sind mit einer SCR-Anlage ausgestattet, für die in den engen Maschinenräumen Platz geschaffen werden muss. „Kunden müssen nicht nur den Platz für die SCR-Anlage berücksichtigen, sondern auch den Platz für Rohre und Reduktionsmitteltanks oder zum Warten der Anlage“, erklärt Andreas Peters, mtu-Anwendungsingenieur bei Rolls-Royce.
Bei den drei neuen Fähren von WETA arbeiteten die Werft Dakota Creek Industries, das Designteam von AMD Ferries und die Rolls-Royce-Ingenieure für mtu-Motoren von Anfang an eng zusammen, um für alle die bestmögliche Lösung zu finden. „Es war eine Herausforderung, nicht mehr Platz als nötig zu beanspruchen und dabei trotzdem alle Kriterien bezüglich der Anbauten und Wartungsfreundlichkeit zu erfüllen. Aber indem wir von Anfang an eng zusammengearbeitet haben, gingen Planung und Bau zielstrebig voran“, erzählt Jeff Sherman, vom Rolls-Royce-Vertrieb für mtu-Marine-Motoren in den USA.
Vier Touren absolviert die Pyxis täglich zwischen Vallejo und San Francisco. Pro Fahrt transportiert sie bis zu 445 Passagiere, die die Fähre nutzen, um den verstopften Straßen und ausgelasteten öffentlichen Verkehrsmitteln auszuweichen. Rund eine Stunde dauert die Fahrt. Die zwei mtu-Motoren der Baureihe 4000 beschleunigen die Fähre mit jeweils 2.560 Kilowatt Leistung auf bis zu 34 Knoten Geschwindigkeit. Gleichzeitig erfüllt das Antriebssystem die Umweltanforderungen: Durch Weiterentwicklungen bei der Aufladung, beim Verbrennungsprozess und der Einspritzung der Motoren in Kombination mit dem neuen SCR-System werden die Stickoxid-Emissionen gegenüber der Emissionsvorschrift IMO II um 75 Prozent reduziert und die Partikel-Emissionen gegenüber EPA Tier 3 um 65 Prozent. Der Kraftstoffverbrauch konnte im Vergleich zur vorherigen Motorengeneration reduziert werden (auf bis zu 190g/kWh) und somit auch der CO-2-Ausstoß.
Auch die größte Schlepp-Reederei an der US-Westküste, Foss Maritime, hat bereits drei von vier neuen Schleppern mit EPA-Tier-4-konformen mtu-Antriebssystemen in Betrieb genommen. Sie werden in Los Angeles/Long Beach und in der Bucht von San Francisco mit ihrem 82 Tonnen Pfahlzug die größten Tanker und Containerschiffe eskortieren, die die Häfen an der US-Westküste anlaufen.
16V-Motor der mtu-Baureihe 4000 M03 mit eigens darauf abgestimmter SCR-Anlage. Sie wurde leicht angepasst und mit modifizierten Turboladern und einer neuen Generation Motorreglern mit optimierter Abstimmung versehen.
Zwei Lösungen für Yachten
Während der Platz auf Fähren und Schleppern noch vergleichsweise geräumig ist, geht es in Motoryachten sehr viel enger zu. Dennoch müssen auch hier die Richtlinien eingehalten werden. Rolls-Royce hat deshalb verschiedene Lösungen entwickelt, wie mtu-Motor und SCR-Anlage kombiniert werden können. So gibt es die SCR-Anlage in zwei verschiedenen Variationen: würfelförmig oder als flache Box, die meistens für den Yachtbau attraktiver ist. Beide Variationen stellt Rolls-Royce im mtu-Werk in Ruhstorf her. Die SCR-Anlagen sind speziell auf die mtu-Motoren abgestimmt, so dass der Kunde eine zuverlässige Gesamtlösung bekommt.
Bei der türkischen Werft Bilgin entstehen derzeit drei 80-Meter Yachten, die die IMO-III-Richtlinien (weltweit gültig in Emission Controlled Areas, wie Küste von USA und Kanada, Nord-/ Ost-See seit 2021) erfüllen werden. Angetrieben werden sie von der bisherigen Generation der mtu-Baureihe 4000 M03 mit eigens darauf abgestimmter SCR-Anlage. Dafür wurden die 16V-Motoren leicht angepasst und beispielsweise mit modifizierten Turboladern und einer neuen Generation Motorreglern mit optimierter Abstimmung versehen. Das mtu-SCR-System ist komplett geregelt mit Echtzeit-Stickoxid-Messung vor und nach der SCR-Box. Damit ist eine präzise Dosierung des Reduktionsmittels sichergestellt.
„Gerade im Yachtbereich steigen die Anforderungen an das Antriebssystem. Die Kunden wünschen zum einen leistungsfähige Motoren, zum anderen sollen diese so sauber wie möglich sein, um auch in geschützte Gegenden einfahren zu können. Das grüne Image ist auch hier enorm wichtig“, so Denise Kurtulus, Vice President Global Marine Business bei Rolls-Royce Power Systems. Deshalb lassen viele Yachtkunden zusätzlich einen Dieselpartikelfilter installieren, der bisher nicht vorgeschrieben ist.
Schlepper der Reederei Foss Maritime mit EPA-Tier-4-konformem mtu-Antriebssystem. Einsatz in Los Angeles/Long Beach und in der Bucht von San Francisco.
Die Antriebs-Lösung der Bilgin-Yachten ist bereits nach IMO III zertifiziert. Damit zählen die Yachten zu den saubersten ihrer Klasse. Bei der Pyxis und ihren Schwesterschiffen erfolgte die Zertifizierung im Dezember 2020. „Wir waren sehr zuversichtlich, was die Zertifizierung angeht. Unsere Motoren in der Pyxis sind bisher mehr als 2.800 Betriebsstunden zuverlässig gelaufen und wir überwachen den Betrieb genau“, Michael Drews, Programmleiter für die mtu-Baureihe 4000 mit Abgasnachbehandlung für maritime Anwendungen.
Die maritime Energiewende startet gerade erst. Dafür prüft Rolls-Royce verschiedene Lösungen: von mobilen Gasmotoren über Hybrid-Antrieben oder Motoren mit methanbasierten Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen bis hin zu einem Antrieb basierend auf Brennstoffzellen. „Die Dekarbonisierung des Antriebs ist unser Ziel“, erklärt Daniel Chatterjee, Leiter des Green & Hightech-Programms.