Der Ingolstädter Einzelgänger Robert Gumpert hat womöglich die Lösung für alle Probleme der E-Mobilität: Sein Fahrzeug mit Methanol-Brennstoffzelle ist reichweitenstark und kommt ohne milliardenteure Lade-Infrastruktur aus. Doch die Politik scheint wenig interessiert.
Mangelndes Talent fürs Marketing kann man Robert Gumpert nicht vorwerfen. An Reklame-Ideen hat es dem heute 76-jährigen Ingenieur nie gefehlt, seit er in den Achtzigerjahren als Entwickler bei Audi den permanenten Allradantrieb erfand: Im Werbespot ließ er damals den „Quattro“ medienwirksam eine Skischanze emporfahren. Es sollte nicht seine letzte große Show bleiben.
Nach der Audi-Ära leistete sich Gumpert schon 2004 seine eigene Sportwagenmanufaktur. 2017 tat er sich mit dem chinesischen Partner Aiways zusammen, einem Spezialisten für Elektromobilität, und wurde CEO der „Gumpert Aiways Automobile GmbH“. Im Mai 2020 dann landete der Individualist aus Ingolstadt einen Marketing-Paukenschlag, der
mindestens Quattro-Format hatte.
Bei der Einführung seines 400 Kilowatt starken E-Sportwagens „Nathalie“ ließ Gumpert die Spannung zunächst mal Der Ingolstädter Einzelgänger Robert Gumpert hat womöglich die Lösung für alle Probleme der E-Mobilität: Sein Fahrzeug mit Methanol-Brennstoffzelle ist reichweitenstark und kommt ohne milliardenteure
Lade-Infrastruktur aus. Doch die Politik scheint wenig interessiert. gehörig knistern. Auf der Bühne stand neben dem noch mit Silbertuch verhüllten Elektro-Boliden zum Stückpreis von
gut 400.000 Euro netto nur ein Präsentator im Smoking. Vor dem eingeblendeten Bildhintergrund einer antiken römischen Arena beschwor er in wortgewaltigem Shakespeare-Englisch den Geist von Streitwagen-Lenkern und Gladiatoren. Den Auftritt von Meister Gumpert selbst verkündigte der Ansager dann mit den bescheidenen Worten: „Und ich bezeuge heute, dass er den Speer konstruktiver Ideen so weit in die Zukunft geschleudert hat, dass er auf dem Gebiet automobiler Innovation konkurrenzlos und ohne Gleichen dasteht. Ein zukünftiger Platz in der Ruhmeshalle der Mobilität ist diesem Fahrzeug schon heute garantiert.“
Eine Menge Vorschusslorbeeren – andere würden sagen: Eigenlob – für den Selfmade- Revolutionär des Automobilbaus und sein Fahrzeug, das die Politik nicht will. Denn Gumpert hat kein normales E-Mobil konstruiert. Keines, dessen Batterie nur während stundenlangen Stillstands an einer Strom-Zapfsäule und dank milliardenteurer Netz-Infrastruktur auflädt. Und dem dann schon bei normalen Winterkältegraden nach 200 Kilometern erneut der Saft ausgeht.
„Nathalie“, die nach Gumperts Tochter benannte Power-Flunder mit den sich automatisch hebenden Flügeltüren, ist anders. Sehr viel anders. Der Wagen, der in 2,5 Sekuden von Null auf Hundert beschleunigt und 300 km/h Spitze erreicht, ist das erste in Serie produzierte Methanol-Brennstoffzellenfahrzeug mit Straßenzulassung. Manche halten sein Antriebssystem für die genial einfache Lösung aller Infrastruktur- und Leistungsprobleme in der E-Mobilität.
Der potenziell bahnbrechende Vorteil dieser Technologie: Gumperts „Nathalie“ mit der sogenannten Reformed Methanol Fuel Cell (RMFC) könnte an eine fast handelsübliche Zapfsäule rollen und dort innerhalb von drei Minuten ihren 65-Liter-Tank mit „grünem“ Methanol befüllen lassen. Methanol ist ein Alkohol und laut Gumpert „weniger explosionsgefährlich als Benzin“. Im Motor wird der Flüssigkraftstoff in einem sogenannten Reformer zu wasserstoffhaltigem Gas reformiert, das wiederum von der Brennstoffzelle verstromt wird und die Batterie mit Fahrstrom versorgt. Fährt der Wagen langsamer als 130 km/h, bleibt sogar Strom zum Nachladen der Batterie übrig, was selbst in der ultradynamischen „Nathalie“ die großzügige Reichweite von 820 Kilometern pro Tankfüllung ermöglichen soll. Unabhängig von der Außentemperatur.
Als „grün“ bezeichnet Gumpert Methanol im Unterschied zur „grauen“ Variante, solange es unter Einsatz von elektrischem Strom nachhaltig produziert wird: an Orten, „wo die Stromerzeugungskosten nahezu keine Rolle spielen, etwa bei Windkraft in der Nacht, Sonne in Afrika, Offshore-Anlagen“. Dass die aufwändige Herstellung des Alkohols bislang viel zu teuer schien, um im Tank von Automobilen zu landen, will er nicht länger gelten lassen: „Grünes Methanol kostet heute um einen Euro pro Liter. Wir haben bereits Angebote von 67 Cent pro Liter. Die Preise gehen deutlich nach unten.“
Für die rund 17.400 Benzin-Tankstellen in Deutschland wäre damit das Schreckgespenst der vom Staat gepushten Elektromobilität gebannt: „Die Tankstellenbesitzer sehnen sich nach Methanol“, sagt Gumpert. „Das ist ihre Geschäftsgrundlage. Reine Elektromobilität wäre der Untergang für sie.“ Die Umrüstkosten auf Methanol wären, im Vergleich zu den fast uferlosen Summen an Steuergeld für die geplanten Ladestellen-Netzwerke, ein Klacks: 35 Millionen Euro schätzt Gumpert insgesamt – für eine bundesweite Versorgungsinfrastruktur. Der 1944 in Bad Ziegenhals (heute Polen) geborene Konstrukteur ist optimistisch, dass am Ende ein massentauglicher, emissionsfreier Treibstoff zur Verfügung stehen wird: „Wir haben mit entsprechenden Lieferfirmen Vorverträge abgeschlossen. Der erwartete Literpreis wird ähnlich wie beim Diesel sein. Der Verbrauch bezogen auf Liter pro 100 km ist nahezu identisch mit dem Dieselverbrauch.“
Streng genommen ist der sogenannte „Gumpert-Antrieb“, als der die Methanol-Brennstoffzelle durch die Medien geistert, das Werk der dänischen Firma Blue World Technologies aus Aalborg. Sein eigenes Unternehmen sei jedoch bei Gründung zu 30 Prozent an Blue World beteiligt gewesen, sagt der Ingolstädter und stellt klar: „Die Dänen sind Spezialisten für die Brennstoffzellen als stationäre Stromquelle. Für den Einbau in Fahrzeuge, Schiffe und Flugobjekte sind wir die Spezialisten mit mehr als 20 Personen.“
Abgesehen von der Blue-World-Connection ist Gumperts Autoschmiede bislang nicht gerade vom Glück verfolgt, was ihre Partnerschaften mit Wirtschaft und Politik angeht: Die Verträge mit den Chinesen, die ganz auf klassisch batterieelektrische Fahrzeuge zu setzen scheinen, hat Gumpert gelöst. Als Grund führt er Verwerfungen durch die Corona-Pandemie an. Aus seinem Firmennamen soll das Wort Aiways in Kürze verschwinden.
Und was die Politik angeht: Das Bundesverkehrssministerium hatte Gumpert vor drei Jahren eigens einen E-Smart der Behörde zur Umrüstung auf Methanol-Brennstoffzelle zur Verfügung gestellt. Gumpert solle ihn über den Langzeittest auf dem Laufenden halten, gab Minister Andreas Scheuer (CSU) dem Autobauer damals mit auf den Weg – um seine Berichte und Briefe dann nicht weiter zur Kenntnis zu nehmen.
Erst in diesem Frühjahr gab es angesichts von verstärktem Medieninteresse leise Anzeichen einer amtlichen Wiederentdeckung des „Gumpert-Antriebs“. Die Signale waren allerdings nicht unbedingt vielversprechend, so der Ingenieur im August: „Wir wurden gebeten, als allererstes den Bundesadler vom Fahrzeug zu entfernen. Danach ist nichts Wesentliches passiert, und jetzt hat man Ferien.“ Offensichtlich ist das Ministerium, ähnlich wie der Verband der Automobilindustrie, ganz auf die Merkel-Linie eingeschworen: Elektromoblität muss ein Ladekabel haben – und staatliche Milliardensubventionen verschlingen.
Nichtsdestotrotz hat Gumpert weiterhin Großes vor, wie immer in seiner eigenwilligen Karriere: Unterhalb des Exklusivmodells „Nathalie“ plant er das Modell „Magda furiosa“, von dem nur 100 Exemplare gebaut werden sollen. Und noch eine Stufe darunter einen weiteren Sportwagen, mit einer Auflage von 5000 Stück fast schon ein Massenmobil. Vom Elektro-Gladiator Robert Gumpert dürften also noch einige Marketing-Feuerwerke zu erwarten sein.