Als Spezialist für kommunale Aufbaukonzepte pusht die Kirchhoff-Tochter FAUN die Entwicklung von Entsorgungsfahrzeugen, die emissionsfrei durch die City rollen.
Während umweltbewusste Bürgerinnen und Bürger ihren Haushaltsmüll in mehrfarbigen Tonnen sortieren, brummen noch immer laute und abgasreiche Sammelfahrzeuge durch die Straßen. Unfair. Oder? Ein konventioneller Müllwagen stoppt bis zu 1.000 Mal am Tag, wechselt genauso oft Brems- und Gaspedal. Während er oben Speisereste schluckt, spuckt er hinten CO2 aus. Wie lange noch? Nun, die Lösungen kennt man längst und so mancher „Pioniergeist“ zeigt diese bereits in der Praxis. Seit rund 16 Jahren arbeitet der Aufbauspezialist FAUN als einer der ersten in Deutschland an alternativen Antrieben. Das neuentwickelte Batterie-/Wasserstoff-Konzept BLUEPOWER rekuperiert einerseits die beim Bremsen entwickelte Energie
und speist damit die Batterie. Zusätzlich wird das Fahrzeug über Brennstoffzellen versorgt, die den „Saft“ aus „grünem“ Wasserstoff erzeugen. 2018 präsentierte FAUN den Prototypen des BLUEPOWER, seit 2019 fahren erste batterie-elektrische und H2-Müllfahrzeuge im Testbetrieb. Seit Mai 2021 liefert FAUN eine Kleinserie an Entsorgungsunternehmen aus.
Derzeit fahren insgesamt 20 Wasserstoff-Fahrzeuge in Berlin, Bielefeld, Duisburg, Freiburg und Wuppertal. Ab 2022 will man am Standort Bremen in Serienproduktion gehen. Übrigens: FAUN will im Jahr 2030 keine herkömmlichen Diesel-Lkw mehr bauen und ganz auf Wasserstoff setzen.
Mit BLUEPOWER-Fahrzeugen gibt FAUN den Unternehmen hundert Prozent emissionsfreie Müllfahrzeuge und Kehrmaschinen an die Hand. Die Geräuschentwicklung ist marginal, denn kaum hat sich ein BLUEPOWER-Fahrzeug per Batterieantrieb in Bewegung gesetzt, übernehmen die Brennstoffzellen. Mit Energie aus Wasserstoff wird nicht nur gefahren, sondern auch der Aufbau betrieben, bei Kehrmaschinen die Bürsten und Kehraggregate. BLUEPOWER ist modular aufgebaut und auf die Kundenbedürfnisse und realen Einsatzbedingungen abgestimmt. Trägerfahrzeug ist ein Fahrgestell von Mercedes Benz, Marke Econic. Die Elektrobatterien haben eine Leistung von 85 Kilowattstunden end of life, so dass am Tag zweimal
zehn Tonnen Müll, mit einer Zwischenladung von 40 Minuten, gesammelt werden können. Wenn die Fahrzeuge lange Transportstrecken zurücklegen müssen bzw. um die Leistung eines herkömmlichen Müllwagens zu erreichen, können zusätzlich Brennstoffzellen und Tanks modular angebaut werden. Es kann aus 30, 60 oder 90 KW Brennstoffzellen-Paketen gewählt werden. Bei den Wasserstofftanks besteht die Möglichkeit, aus ein bis vier Tanks a vier Kilogramm Wasserstoff zu wählen. Getankt wird binnen weniger Minuten, ähnlich einem herkömmlichen Fahrzeug, mit einem Druck von 700 bar. Auch das Betanken mit Wasserstoff hat deutliche Vorteile gegenüber der Versorgungssicherheit mit E-Tankstellen. In nahezu jeder Müllverbrennungsanlage in Deutschland ist es möglich, eine Einrichtung zur Elektrolyse einzubauen und vor Ort den sogenannten orangenen Wasserstoff zu erzeugen, den Entsorgungsunternehmen für das Betanken von Müll- und Kehrfahrzeugen benötigen. Mit Hausmüll kann dann praktisch neuer Wasserstoff erzeugt werden und das Müllfahrzeug in der Konsequenz mit dem eigens gesammelten Müll betrieben werden.
H2-Camp zeigt Potenzial
Anfang September d.J. traf sich das „Who-is-Who“ der Wasserstoff-Industrie zu einem Experten-Austausch. Auf dem Gelände der ADAC Fahrsicherheits-Zentren in Laatzen und Schlüsselfeld hatte die Akademie für Kommunalfahrzeugtechnik (AKT) ein „H2-Camp“ organisiert, bei dem Technologie-Pioniere wie FAUN Umwelttechnik, Designwerk aus der Schweiz, H2 Mobility, Toyota Motor Europe, H2 Mobility und die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie Deutschland (NOW) sowie die Westfalen AG dabei waren. Fachkräfte aus kommunalen wie privaten Entsorgungsunternehmen informierten sich bei diesem interaktiven Expertentreffen über den Stand der Technik, den Ausbau der Infrastruktur und die Förderung für Wasserstofffahrzeuge.
Politik setzt neue Maßstäbe
Am 17. September 2021 hat der Bundesrat einen Bundestagsbeschluss zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote für den Verkehrssektor gebilligt. Das Gesetz soll nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet werden. Damit wird festgelegt, dass Deutschland bis 2030 seinen Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr von derzeit zehn Prozent auf rund 32 Prozent erhöhen soll. Deutschland übertrifft damit die EU-Zielvorgabe von mindestens 14 Prozent.
Gelingen soll das, indem die sogenannte Treibhausgasminderungsquote für Kraftstoffe von heute sechs Prozent auf 25 Prozent steigt. Die seit 2015 geltende Minderungsquote verpflichtet Energiekonzerne, die Emissionen ihrer Kraftstoffe um einen bestimmten Prozentsatz zu senken. Dafür können sie etwa erneuerbar erzeugten Strom oder Biokraftstoffe einsetzen. Möglich ist das auch mit grünem Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.
Pfeffenhausen im Landkreis Landshut wird Standort eines nationalen Wasserstoffzentrums. Die niederbayerische Marktgemeinde bekommt den Zuschlag zusammen mit den Städten Duisburg und Chemnitz sowie einem Konsortium in Norddeutschland.
In Pfeffenhausen soll es um konkrete Anwendungsmöglichkeiten für Wasserstoff-Technologien gehen, insbesondere im Bereich Mobilität. Das Zentrum soll Anlaufpunkt für Start-ups, kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für Global Player sein.
Das sogenannte Wasserstoff-Technologie- und Anwenderzentrum (WTAZ), an dem zahlreiche Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt sind, soll bis 2025 fertiggestellt werden. Text + Fotos: Dieter Göllner