In diesem Artikel stellt Rolls-Royce Power Systems eine Einschätzung zur Zukunft von Verbrennungsmotoren in den Anwendungsbereichen Schifffahrt, Industrie und Stromerzeugung dar. Dies ist ein Auszug aus dem White Paper von Dr. Otto Preiss, Chief Operating Officer bei Rolls-Royce Power Systems.
Bei der Entwicklung von Verbrennungsmotoren in den letzten Jahrzehnten lag der Hauptfokus auf der Steigerung der Leistungsdichte, bei der Kennfeldoptimierung (z.B. Optimierung
des Kraftstoffverbrauchs bei gegebenen Last- und Drehzahlprofilen), auf Wirkungsgradverbesserungen und auf der Reduzierung von Abgasemissionen. Seit einigen Jahren hat der zunehmende Trend zur Dekarbonisierung des Antriebsstrangs auch viele Anwendungen in den Off-Highway-Märkten erreicht. Die wichtigsten Anwendungen von Verbrennungsmotoren, die für Rolls-Royce Power Systems und diesen Artikel von Bedeutung sind, ist die Stromerzeugung für Dauer- und Notstrom-Anwendungen, Bergbau, Öl- & Gasindustrie, Schienenverkehr, die kommerzielle Schifffahrt, Yachten und Behördenfahrzeuge.
Der heutige Off-Highway-Markt wird dominiert von fossil betriebenen Verbrennungsmotoren, welche eine signifikante Menge an CO2-Emissionen emittieren. Auf der Grundlage eigener Berechnungen schätzen wir die gesamten CO2-Emissionen des Off-Highway-Marktes mit Dieselmotoren > 560 kW auf ca. 690 Mt CO2-Äquivalent im Jahr 2019 (in Anlehnung an die Science-Based-Targets Berechnungsmethode).
Angesichts der Tatsache, dass wir ein begrenztes, kumuliertes Budget für Treibhausgas-Emissionen haben, um die globale Erwärmung deutlich unter 2 °C oder vorzugsweise 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu halten, spielen verbrennungsmotorbasierte Anwendungen eine Schlüsselrolle beim Erreichen der Klimaziele. Off-Highway-Transport (6 %) sowie
Strom- und Wärmeerzeugung (42 %) sind für fast 50 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger im Jahr 2020 verantwortlich. Deshalb muss der
Einsatz von rein mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Motoren drastisch reduziert werden, und damit müssen Verbrennungsmotoren oder auch deren Alternativen letztendlich CO2-neutral oder CO2-frei sein.
Die Verbesserungen der Kraftstoffeffizienz und Reduzierungen der Abgasemission des Verbrennungsmotors, wie sie von immer strengeren Emissionsvorschriften (eingeführt z.B. durch
IMO, EPA) gefordert werden, haben in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gebracht. Jedoch sind diese Fortschritte bei weitem nicht genug für die Erfüllung der Ambitionen zur
Treibhausgasreduzierung bis 2030 und damit der Klimaneutralität-Ziele bis 2050, um unter dem Erwärmungsszenario von 2 °C zu bleiben. Aus diesem Grund müssen neue Technologien
entwickelt und eingesetzt werden, um den fossil befeuerten Verbrennungsmotor allmählich zu ersetzen.
Was sind potentielle Lösungen für die Zukunft?
Mehrere technologische Prinzipien sind im Sinne einer Emissionsreduzierung vorstellbar:
a. Fortsetzung des Einsatzes fossil befeuerter Motoren, Erfassung der Treibhausgas-Emissionen am Abgasaustritt, d.h. Abscheidung und Speicherung der Emissionen, so dass sie nicht
in die Erdatmosphäre emittiert werden.
b. Betrieb von Verbrennungsmotoren mit nachhaltigen, d.h. nicht-fossilen Kraftstoffen (synthetische Kraftstoffe oder e-Fuels, die oft unter der Bezeichnung „Power-to-X“ (PtX) zusammengefasst werden, wie e-Diesel, e-Wasserstoff usw., aber auch Biokraftstoffe der 2. Generation). Dabei besteht das Ziel, einen CO2-neutralen Betrieb von Verbrennungsmotoren zu erreichen. Je nach Kraftstoffart bedeutet dies, dass ein Kraftstoff bei der Erzeugung so viel CO2 bindet wie beim Betrieb des Verbrennungsmotors freigesetzt wird. Zu diesem Zweck kann CO2 aus der Luft aufgenommen, aus biogenen Quellen gebunden oder bei der Kraftstoffproduktion von anderen CO2-Emittenten gewonnen werden. Oder es handelt sich um Kraftstoffe, z.B. Wasserstoff, die überhaupt kein CO2 am Auspuffrohr emittieren.
c. Umstellung auf Alternativen zu Verbrennungsmotoren. Je nach Anwendung kann ein Elektromotor die Alternative sein, wenn mechanische Rotationsenergie benötigt wird, oder eine
statische Lösung in Form einer Brennstoffzelle oder Batterie. Produkte und Infrastrukturen mit Nutzung von Sonnen- und Windenergie, um Batterien zu laden oder grünen Wasserstoff
zu erzeugen, sind bereits verfügbar, obwohl deren Menge und Zugänglichkeit sehr stark vom jeweiligen Land und Standort abhängig ist.
Unter Berücksichtigung technischer, kaufmännischer und regulatorischer Randbedingungen – neben den wichtigen ökologischen Aspekten – sind auch Kombinationen der vorgenannten
Konzepte mit heutigen fossil befeuerten Verbrennungsmotoren möglich, beispielsweise Elektro/Diesel-Hybridlösungen für den Transportsektor.
Unabhängig davon, welches Prinzip oder welche Kombination an Technologien gewählt wird, ist es von äußerster Wichtigkeit ist, die gesamte Treibhausgasbilanz zu betrachten – und damit die gesamte Wertschöpfungskette „vom Bohrloch bis zum Rad“ (well to wheel) oder auf den Produktlebenszyklus gemünzt „von der Wiege bis zum Grab“. Hierzu ein Beispiel:
Bezogen auf Treibhausgas-Emissionen und Ziele bringt es nichts, einen Kraftstoff in einem CO₂-freien Verbrennungsmotor (sprich Wasserstoffmotor) zu verbrennen, wenn der Kraftstoff mit Hilfe CO₂-emittierender Energiequellen (z.B. Strom aus fossil gefeuerten Kraftwerken) produziert wurde. Da viele chemische Prozesse, wie die Herstellung von Wasserstoff, den Einsatz elektrischer Energie erfordern, muss diese Energie unbedingt umweltfreundlich erzeugt, übertragen und gespeichert werden, d.h. aus erneuerbaren Quellen stammen.
Daher wird die Sektorenkopplung und eine Vernetzung der Energieerzeuger und Energieverbraucher immer wichtiger.
Bild 1 gibt einen Ausblick auf die erwarteten relevanten Technologien, die aus heutiger Sicht für eine Markttransformation benötigt werden. Das Bild zeigt unsere Erwartung der weiterhin wichtigen Rolle des Verbrennungsmotors (Internal Combustion Engine ICE) in den kommenden Jahren. Der technologische Wandel wird nicht gleichzeitig über alle Kundensegmente hinweg geschehen. Die verschiedenen Anwendungen
werden sich in ihrem eigenen Tempo weiterentwickeln und wahrscheinlich unterschiedlichen technologischen Konzepten folgen. Voraussichtlich wird es keine einheitliche technologische Basis geben, wie es der Diesel- oder Erdgasmotor war, sondern eine Anzahl koexistierender Technologien – und das noch viele Jahre lang. Der Verbrennungsmotor wird als wichtige technische Option auch in der Zukunft nichtverschwinden. Selbst 2050 wird der Verbrennungsmotor für einige spezifische Anwendungen die technologische Grundlage
bilden.
Zusammenfassung und Fazit
Die heutigen Anwendungen im Off-Highway-Markt in den Sektoren Schifffahrt, Industrie und Stromerzeugung sind zu einem großen Teil abhängig von fossilen Kraftstoffen und tragen zu einer signifikanten Menge an Treibhausgas-Emissionen bei. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 °C (Ziel 1,5 °C) zu begrenzen, werden starke Anstrengungen zur Entwicklung neuer Technologien unternommen. Wir glauben, dass der Markt in einem bisher nicht gekannten Ausmaß umgestaltet
werden wird, um die Treibhausgas-Emissionen erheblich zu reduzieren.
Wir kommen zu folgendem Schluss: Bei einem Szenario derglobalen Erwärmung im Einklang mit dem Pariser Abkommen wird ein Industrieportfolio, das bisher zu fast 100 Prozent auf
mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Verbrennungsmotoren basierte, bis 2030 zu einem Drittel auf Elektro-/Hybridlösungen und zu zwei Dritteln auf Verbrennungsmotoren basieren.
Letztere werden zu gleichen Teilen auf nachhaltige und fossile Brennstoffe aufgeteilt. Es gibt jedoch mehrere Kriterien, vor allem den rechtlichen Rahmen und die Verfügbarkeit der Infrastruktur, die die Aufteilung des Mix und den Zeitplan für die Einführung der Technologien beeinflussen können.
Aus dieser Erwartung schließen wir, dass der Verbrennungsmotor in den kommenden Jahren und in der klimaneutralen Zukunft während der Markttransformation weiterhin eine wichtige
Rolle spielen wird, insbesondere wenn nachhaltige Kraftstoffe wie vorgesehen verfügbar werden. Jedoch werden rein elektrische Lösungen auf der Grundlage von Batterien und Brennstoffzellen zunehmend installiert, wenn die Anforderungen der jeweiligen Anwendung wirklich erfüllt werden können. Um die Emissionsreduzierung bereits in diesem Jahrzehnt
voranzutreiben, ist es unsere Ambition, die Entwicklung von Verbrennungsmotoren als Brückentechnologie unter Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe zu verfolgen. Darüber hinaus arbeiten
wir an der Entwicklung elektrischer Lösungen, was brennstoffzellenbasierte Anwendungen einschließt. Für unsere Branchen und darüber hinaus ist es von äußerster
Wichtigkeit, dass die Markttransformation in Abstimmung mit den Regulierungsbehörden von einem starken Engagement der Industrie getrieben und mit einer globalen Sicht auf die ganzheitliche Treibhausgasreduzierung in Angriff genommen wird.
Das komplette White Paper mit allen Literaturhinweisen ist hier nachzulesen: https://www.mtu-solutions.com/eu/en/technical-articles/2021/the-future-of-internal-combustion-engines-
as-seen-by-rolls-royce-power-systems.html