Laut einer Studie, welche bereits im Jahr 2016 vom Bundesverband Wassersportwirtschaft in Auftrag gegeben wurde, gilt NRW bundesweit als Hochburg der Schiffseigner und damit als besonders interessanter Markt für die Wassersportwirtschaft.
Nach damaligen Ergebnissen gehörte rund jedes 5. Boot eines deutschen Eigners einem Besitzer aus Nordrhein-Westfalen. Die Mehrheit griff auf die Variante Motorboot zurück. Doch wie sieht die Lage heute aus? Welche Veränderungen haben die vergangenen Jahre in diesem Bereich bewirkt? Um für und mit der Branche aktuell zu bleiben wurde nun durch den BVWW die Erfassung einer neuen Studie angestoßen.
der motor: Welcher Kernaussage oder welchem Ziel widmet sich die aktuell in Erstellung befindliche Studie?
Stahlhut: Die Studie „Strukturen im Bootsmarkt“ wird alle 6 – 8 Jahre aktualisiert. Dies hat den Hintergrund, dass es in Deutschland keine verpflichtende Bootsregistrierung gibt und wir daher kein belastbares statistisches Material haben, wie viele Boote tatsächlich in Deutschland unterwegs sind. Unsere Studie ist daher in dieser Frage das Maß der Dinge und bietet unseren Mitgliedern den großen Mehrwert, sich auf abzeichnende Trends einzustellen. Dies gilt insbesondere für die unterschiedlichen Bootstypen und Bootsklassen. Weiterhin werden die Ergebnisse benötigt, um gegenüber der Politik die Dringlichkeit der Instandhaltung und des Ausbaus der Infrastruktur zu argumentieren und Verordnungen sinnvoll zu überarbeiten. So gibt es in den Sportbootvermietungsverordnungen Regelungen, die Anfang der 80er Jahre sinnvoll und richtig waren, aber heute absolut unsinnig sind. Für diese Fragestellungen ist es gut, mit wissenschaftlichen Fakten argumentieren zu können.
der motor: Wie sehen sie perspektivisch die Motorenentwicklung im Nautik Bereich?
Stahlhut: Eine sehr spannende Frage, der wir erst kürzlich beim 1. BVWW Mobilitätskongress im Rahmen der weltgrößten Wassersportmesse „boot“ auf den Grund gegangen sind. Klar ist für uns, dass der Verbrenner mit fossilen Brennstoffen auch im nautischen Freizeitbereich keine Zukunft haben wird, und das ist auch gut so. Zudem kennen wir dank unserer Studie in etwa die Verteilung zwischen Segelbooten, Segelyachten, Sportbooten und sog. Verdrängerbooten, gemeinhin als Hausboot bezeichnet, wenngleich die Bezeichnung nicht ganz richtig ist. Hier wird es interessant, denn: Auf der einen Seite wissen wir, dass z.B. Bootsmotoren eine durchschnittliche Laufleistung von nur 50 Stunden pro Jahr haben und somit die gesamte deutsche Bootsflotte pro Jahr einen CO2 Ausstoß verursacht wie vergleichsweise ein Schiff der AIDA-Flotte, also in der Gesamtbetrachtung nur einen minimalen Anteil. Zum anderen haben diese Motoren im Vergleich zum PKW aus diesem Grund auch eine sehr hohe Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten, was wiederum nicht so gut ist, da die Technik oft veraltet ist. Die aktuelle Entwicklung im Bereich der E-Mobilität ist wirklich schnell und gut, was aktuell fehlt, ist entsprechende Infrastruktur, und da ist sicher der Knackpunkt. Als Branche gehen wir davon aus, dass es am Ende einen Antriebsmix aus alternativen Kraftstoffen und E-Mobilität geben muss, da es nicht möglich sein wird, die Elektro-Infrastruktur für die gesamte Bootsflotte aufzubauen.
der motor: Lässt sich eine Ladesäulen-Infrastruktur bei E-Motoren im Nautik Bereich Ihrer Ansicht nach realisieren?
Stahlhut: Teils teils, würde ich sagen. In Marinas und in Regionen, wo größtenteils Eignerboote liegen, wird es einfacher sein, den Bedarf zu decken. Dies hängt mit der geringen Fahrdauer zusammen, oft liegen die Boote wochenlang ungenutzt am Steg. In Regionen wie Brandenburg oder die Müritz, wo nachmittags 50-100 Verdränger-Hausboote in die Marina kommen und am nächsten morgen weiterwollen, wird es schwierig, denn dafür in diesen abgelegenen Regionen die Leitungsquerschnitte hinzubekommen, dürfte nur unter massiven Investitionen möglich sein. Am Ende gehen wir also davon aus, dass es einen Energiemix geben muss.
der motor: Gibt es hier schon konkrete Pläne oder Zuarbeiten der entscheidungstragenden Institutionen?
Stahlhut: In Brandenburg wird gerade eine Modellregion „Elektromobilität“ geplant, steckt aber alles noch in den Kinderschuhen. Dies liegt an den noch relativ viel hohen Anfangsinvestitionen für die Infrastruktur auf der einen, und dem aktuellen Mangel an erwarteten Umsätzen daraus auf der anderen Seite.
der motor: Thema Motor-Instandsetzung oder Austauschmotor, wie ist der Trend im Markt?
Stahlhut: Hier gilt sowohl als auch. Wie bereits erwähnt sind Bootsmotoren extrem langlebig, wenn sie gut gewartet werden. Sollte das Lebenszeitende dann doch irgendwann erreicht sein, wird ausgetauscht, zunehmend öfter dann auch auf Elektro-Antriebe.
der motor: Machen Kooperationen (z.B. mit Herstellern) in der Kräftigung der Aussage bzw. zur stärkeren Marktunterstützung Sinn?
Stahlhut: Die Branche ist sehr klein, jeder kennt jeden. Wir müssen zusammenarbeiten, um weiterzukommen, auch wenn jeder zunächst seine Interessen im Blick hat. Wo wir aber alle gemeinsam an einem Strang ziehen ist die politische Seite, um die Bedingungen zu verbessern oder Förderprogramme, z.B. für Ladeinfrastruktur, aufzulegen, was bisher leider nicht umgesetzt wird.
Vielen Dank für die offenen Worte an Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des „Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V.“ (bvww/bp)
UMFRAGE „STRUKTUREN IM BOOTSMARKT“
Wir möchten mit unserer Studie „Strukturen im Bootsmarkt“ herausfinden, welche Infrastruktur die Wassersportbranche in den nächsten Jahren benötigt und in welchen Bereichen weitere Unterstützung durch Politik und Wirtschaft notwendig ist. Die Ergebnisse der Studie sind für die Weiterentwicklung der Wassersportbranche in Deutschland von großer Bedeutung.
Wir würden uns über Ihre Teilnahme und Weiterverbreitung der Umfrage freuen: https://www.surveymonkey.de/r/CXNWJFF
Oder direkt über den QR-Code:
(Verantwortlich für die Inhalte der Umfrage: Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V.)