Irgendwie hatte sich der Mann seine Beute anders vorgestellt. Der Käfer, den er auf einem Parkplatz gestohlen hatte, lärmte und rußte, und auch das Temperament des Heckmotors war überschaubar. Genervt ließ er ihn am Straßenrand stehen und verschwand. Der Autodieb hatte ausgerechnet einen Versuchswagen gestohlen, bei dem unter der Heckhaube ein Diesel für Vortrieb sorgte. „Sein“ Diesel-Käfer war einer von zwei Prototypen, die Porsche im Auftrag für Volkswagen aufgebaut hatte.
Das intern „Typ 508“ benannte Projekt, war, so ein internes Papier „ein auf VW-Basis gebauter Dieselmotor, welcher als leichter luftgekühlter Motor eine vermutliche Lücke im üblichen Modellprogramm füllen sollte.“ Vor 70 Jahren begannen die Arbeiten an dem Antrieb in Zuffenhausen. Porsche hatte damals schon Erfahrungen mit Dieselantrieben gesammelt und bereits einen luftgekühlten Zweitakt-Diesel mit zwei Zylindern für Traktoren entwickelt. Nun sollte also auch der Käfer einen ähnlichen Antrieb bekommen, als Vierzylinder-Boxer.
Warum Porsche 1951 den Auftrag von Volkswagen für die Entwicklung eines Dieselaggregats bekam, lässt sich nicht mehr nachverfolgen. Der Diesel-Antrieb in Personenwagen war damals noch ungewöhnlich. Lediglich Mercedes – 1937 mit dem ersten Diesel-Pkw (260 D) an den Start gegangen – setzte auf diese Technik, die vor allem von Taxifahrern und Handelsvertretern geschätzt wurde. Diesel war damals an den Tankstellen mit einem Literpreis von 42 Pfennig deutlich preiswerter als Benzin mit 65,8 und Super mit 72,8 Pfennig. Der 1937 vorgestellte Mercedes 260 D leistete überschaubare 45 PS, soll aber durchaus angenehme Fahreigenschaften besessen haben. Nach Kriegsende setzte Mercedes die Dieselentwicklung weiter fort und brachte mit dem 170 D sowie den Modellen 180 D und 190 D neue Pkw-Modelle auf den Markt. Möglicherweise hat man deshalb in Wolfsburg an eine Ausweitung der Antriebspalette gedacht.
Die Entwicklung begann mit einem 1140 ccm großen Aggregat mit in den Zylinderköpfen eingegossenen Vorkammern. „Die Leistung“, so ein internes Memorandum, „betrug bei noch nicht rauchfreier Verbrennung 18 PS bei 3000 Touren.“ Später wuchs der Hubraum auf 1308 ccm und die Leistung auf 25 PS bei 3100 Umdrehungen. Die optimierte Leistung wurde unter anderem durch den Einsatz einer Scintilla-Pumpe erreicht. Der Verbrauch lag bei sechs bis 6,5 Liter auf 100 Kilometer. In einer Aktennotiz aus dem Jahr 1953 beschreibt ein Ingenieur die Vorteile: „Der Motor, der bis jetzt bei 3000 U/min eine Leistung von 19 PS in bereits abfallender Tendenz zeigte, leistet nunmehr mit der Scinitilla-Pumpe 24,5 PS bei gleichbleibender Drehzahl mit noch immer ansteigender Charakteristik.“
Von Beginn an hatten die Ingenieure mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil sich unter anderem „der kleine Abstand zwischen Auspuffkrümmer und Pumpenunterteil“ als nachteilig herausstellte, so ein Bericht aus dem Frühjahr 1951. Die Porsche-Entwickler behielten die Boxer-Anordnung der Zylinder bei und auch die Luftkühlung blieb unverändert. Der Ölkühler wurde durch den Kühlluftstrom gekühlt. Einspritzdüsen sowie Einspritzpumpe, Glühkerzen und Klappenstutzen wurden von Bosch beigesteuert. Der Motor hatte eine Verdichtung von 19:1. „Die anfangs aufgetretenen Schäden an Riemen und Riemenscheibe durch die größere Ungleichförmigkeit des Motors konnten durch Vergrößerung des Schwungrads behoben werden.“ berichtete ein Entwicklungsingenieur. Fast zur gleichen Zeit entstanden bei Tatra in der Tschechoslowakei Prototypen des Tatraplan T600. Der Antrieb hatte zwei Liter Hubraum und leistete 42 PS, was für eine Höchstgeschwindigkeit mit dem luftgekühlten Diesel-Boxer von mehr als 100 km/h reichte. Doch wie der Diesel-Käfer ging auch das Modell nie in die Serie.
Nach ausführlichen Tests auf dem Porsche-Prüfstand wurden zwei Aggregate in Versuchsträgern montiert und auf Testfahrt geschickt. 16.000 Kilometer legte ein Motor in einem, so der interne Bericht, „Combi“ zurück, der zweite Motor lief „über 25.000 Kilometer in einem Volkswagen.“ Allerdings „zeigten sich nach etwa 20.000 Kilometern an einem Zylinderkopf Rissbildungen, die durch Schweißen repariert wurden. Daraufhin fuhr das Fahrzeug weiter, ohne dass sich bisher weitere Störungen gezeigt haben.“ Ein weiterentwickelter Motor mit neuen Zylinderköpfen und vergrößertem Ventilabstand sowie verbesserter Legierung wurde offensichtlich nie aufgebaut. „Mit diesem Motor“, so der Bericht eines Entwicklungsingenieurs, sollten „Dauerversuche durchgeführt“ werden. Der Mann dachte sogar noch einen Schritt weiter, denn „es ist auch möglich, die Versuche auf Kerosin auszudehnen.“
So weit sollte es dann nicht mehr kommen. Volkswagen-Generaldirektor Heinrich Nordhoff, der das Unternehmen tatsächlich wie ein General führte, hatte offensichtlich die Lust an einem nagelnden und rußigen Käfer verloren und stoppte die Entwicklung. Der VW-General sah damals keinen wirtschaftlichen Erfolg in der Kombination Käfer und Diesel. Wahrscheinlich lag er damit richtig. Als Taxi kam der Zweitürer nicht in Frage, im Export waren die Chancen ebenfalls gering, und Handelsvertreter auf der Langstrecke vertrauten dem Stern auf der Haube. Das Projekt 508 wurde eingestellt. Bereits im Oktober 1954 hatte der kaufmännische Geschäftsführer der „Porsche Konstruktionen GmbH“, Albert Prinzing in einer Mitteilung an Porsche und andere leitende Angestellte gebeten, „festzulegen, wie die endgültige Prüfung dieses Motors bis zum 10. Dezember abgeschlossen werden kann.“ Und: „Es ist uninteressant, diesen Motortyp weiterzuschleppen, falls Neuentwicklungen ihn veraltet erscheinen lassen.“
Zum 50. Firmenjubiläum wurde der Käfer-Diesel rekonstruiert und zeigte, dass die damalige Entscheidung wohl richtig war. Der Automobilhistoriker Jerry Sloninger jedenfalls vermisste damals ein Radio, „um die Töne von achtern zu übertönen“, und auch das Temperament des Diesel-Käfers war überschaubar: „Von Null auf 100 km/h brauchte man eine volle Minute.