Bei meiner Anreise am Donnerstagmorgen zum Nürburgring, kletterte das Thermometer noch auf weit über 20°C und es waren noch keine Wolken am Himmel zu sehen. Aber wer den Nürburgring und das „Eifelwetter“ kennt, weiß, dass hinter der nächsten Kurve schon Sturm, Starkregen und Hagel auf einen warten können. Das Eifelwetter und die unzähligen Schikanen verschafften dem Nürburgring seinen weltweiten Spitznamen – Green Hell! Und das Eifelwetter wird sich auch dieses Wochenende von seiner besten Seite präsentieren und zeigen, was es heißt auf der wohl legendärsten Rennstrecke der Welt zu fahren.
Four Motors tritt in der Klasse der alternativen Treibstoffe (AT) an. Eine der Besonderheiten bei dieser Klasse: Man findet sie nicht direkt in der Boxengasse, sondern vorgelagert in einem eigenen Bereich. Neben Four Motors treten zwei weitere Teams in der AT Klasse an. Leistungsmäßig stehen sie den „großen“ Teams in nichts nach und beweisen, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit längst einen Platz im Motorsport gefunden hat. Alternative Treibstoffe müssen längst nicht immer Wasserstoff oder gar E-Autos sein. Das Team rund um Teamchef Thomas von Löwis aka Tom fährt mit E20.
Doch was macht Four Motors zu einem so besonderen Rennteam, dass wir sie das gesamte Wochenende begleiten und dem Team über die Schultern schauen? Die Bioconcept-Cars von Four Motors sind nach einem ganz bestimmten System aufgebaut, welche sich in drei Säulen gliedert – die Fantastischen Drei – Säulen der Nachhaltigkeit.
Säule 1 – Recycling Öl
Langstreckenrennen sind eine echte Belastungsprobe für Motor und Getriebe – jede Fehleinschätzung kann das Aus bedeuten. Da kann Four Motors keine Kompromisse bei Ölen und Schmierstoffen eingehen. Und dennoch fahren die drei Porsche des Teams mit Recycling-Öl.
Die reraffinierten Motoren- und Getriebeöle, die Four Motors bei den Langstreckenrennen am Nürburgring verwendet, sind maßgeschneiderte Formulierungen von Hauptsponsor Wolf Oil. „Nach zwei Jahren Einsatz sind wir von der Qualität der Recycling-Öle mehr als nur überzeugt – sogar regelrecht begeistert“, so Four Motors Teamchef Tom von Löwis und auch Smudo findet Performance und CO₂-Einsparung der Racing-Öle im Bioconcept-Car „sensationell“. Denn: Der Einsatz dieser Öle reduziert die CO₂-Emission im Vergleich zu klassischen Schmiermitteln aus Rohöl um 80 Prozent.
Dadurch sind die reraffinierten Schmierstoffe zu einer tragenden Säule des Nachhaltigkeitskonzeptes von Four Motors geworden und unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtpakets. Durch den erfolgreichen Einsatz tragen die grünen Pioniere nicht nur zur Forschung und Entwicklung, sondern auch zu weiteren Verbreitung dieser umweltschonenden Technologie bei. Der Einsatz dieser Öle, z. B. im Maschinenbau oder im Motorenbereich, reduziert den CO₂-Footprint erheblich und hilft so, den Klimawandel zu verlangsamen. Und je mehr Unternehmen bei dieser Initiative mitmachen, desto mehr wertvolle Rohstoffe können eingespart werden.
Säule 2 – E20 Kraftstoff
Von Beginn an setzt Four Motors Biokraftstoffe ein – sowohl der Fantastische Flowerpower Bio-Beetle als auch der Ford Mustang, der Mégane Trophy und der Scirocco wurden von
Biodiesel oder mit Biodiesel-Beimischungen angetrieben. Seit 2016 besteht zwischen Four Motors und CropEnergies eine ganz besondere Verbindung. Die Formel für den gemeinsamen Erfolg: C2H5OH – auch Ethanol oder umgangssprachlich „Alkohol“ genannt. Der E20-Hochleistungsbiokraftstoff von CropEnergies, ein Ottokraftstoff mit 20 Prozent Ethanol-Anteil aus nachhaltiger Produktion, sorgt für Höchstleistungen im Four Motors Porsche. Das nachhaltig hergestellte Bioethanol aus Abfall- und Reststoffen nachwachsender Rohstoffe ist CO₂-neutral. Das CO₂ das bei der Verbrennung von Bioethanol freigesetzt wird, wurde von den Pflanzen, aus denen es hergestellt wurde, im Laufe ihres Wachstums durch Fotosynthese gebunden. Dank hocheffizienter Produktionsanlagen ist der CO₂-Ausstoß im Vergleich zu fossilem Kraftstoff über 70 Prozent niedriger. Mehr noch: Eine Studie der TU-Wien hat gezeigt, dass durch die Beimischung von 20 Prozent Ethanol auch die Feinstaubemission von E20 bis zu 60 Prozent geringer ist als bei einem gängigen Super Benzin.
Aber auch das ist noch nicht alles: Die Oktanzahl des Hochleistungskraftstoffs von CropEnergies entspricht mit circa 102 ungefähr der von „Performance Fuels“, wie es sie an der Tankstelle zu kaufen gibt. Die deutlich höhere Kühlung von Ethanol bringt jedoch bei gleicher Oktanzahl entscheidende Vorteile mit sich: Durch die Verbindung zwischen E20 und einem darauf feinabgestimmten Motor profitierte Four Motors bei ihrem Porsche Cayman GT4 auf der Rennstrecke von einem signifikanten Leistungsplus und deutlich mehr PS.
Den Beweis dafür erbrachte Four Motors eindrucksvoll mit dem Doppelklassensieg (P1 #320, P2 #420) in der Klasse „Alternative Treibstoffe“ beim 24h-Rennen: „Die Verbindung zwischen E20 und einem optimierten Ansaugsystem ergeben ein deutliches Leistungsplus“, so Teamchef Tom von Löwis. „Gleichzeitig konnten wir dadurch den Verbrauch senken, sodass wir uns mit einer Nordschleife-Runde mehr pro Tankfüllung einen entscheidenden Vorsprung sichern können.“
Säule 3 – Bio-Leichtbauteile
Bereits seit 2006 werden für die Bioconcept-Cars von Four Motors immer wieder verschiedene Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen konstruiert, die auf der Nordschleife getestet und dann kontinuierlich weiterentwickelt werden – stets begleitet und gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter der Trägerschaft der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR).
Seit 2011 erfolgt die Forschung und Entwicklung in Kooperation mit dem Fraunhofer WKI. 2017 bekamen die Partner dafür erstmals Verstärkung durch einen Automobilhersteller – und noch dazu einen der innovativsten überhaupt: Porsche entwickelt und konstruiert gemeinsam mit dem Fraunhofer WKI im Rahmen des aktuellen BMEL-Förderprojekts Bioleichtbauteile basierend auf den Technologien der Schweizer Naturfaserspezialisten von Bcomp, die von Four Motors unter den harten Bedingungen des Nürburgrings auf Serientauglichkeit getestet werden. Bei den nachhaltigen Leichtbauteilen handelt es sich um biobasierte Flachsfaserverbundwerkstoffe. Aufgrund seiner hohen mechanischen Eigenschaften, seinem nachhaltigen Wachstum und durch die europäisch basierte Lieferkette bringt Flachs sowohl in der Performance als auch im Hinblick auf den CO2-Footprint erhebliche Vorteile mit sich. Durch die Kombination verschiedener Werkstoffe und Verstärkungsfasern werden die charakteristischen Vorteile der jeweiligen Materialien in einem Werkstück miteinander verbunden. Je nach Auswahl und Zusammenstellung der Materialkomponenten kann die Gesamtperformance gezielt an die Belastungssituation des jeweiligen Bauteils angepasst werden – von der Verfahrensentwicklung bin hin zum fertigen Bauteil und dessen Erprobung, sowohl im Labor als auch im extrem belastenden Renneinsatz. Am Ende des Projektes können die innovativen und nachhaltigen Bioverbundstoffe mit herkömmlichen Materialien verglichen werden, um gesicherte Empfehlungen hinsichtlich des Serieneinsatzes biogener Materialien für die Mobilität der Zukunft treffen zu können.
Damit bieten die Bio-Leichtbauteile eine nachhaltige Alternative zu den gewöhnlich im Leichtbau verwendeten Glas- und Kohlefasern. Die Gewichtersparnis wird in Zukunft oberstes Gebot sein, um z. B. das Batteriegewicht von Hybrid- und E-Mobilen zu kompensieren. Oder aber um durch eingespartes Gewicht den Verbrauch zu senken und somit die Reichweite mit einer Tankfüllung zu erhöhen.
Das Rennen
In die Startaufstellung schickt Four Motors die beiden Porsche 911 GT3 Cup (Start-Nr. 320) und den Cayman 718 GT4 (420). Auf den dritten Wagen im Team Four Motors, den Porsche Cayman GT4 Clubsport, muss man an diesem Rennwochenende leider verzichten. Beim Rennen 3 der Nürburgring Langstrecken Serie wurde das Fahrzeug bei einem Horrorcrash so schlimm zugerichtet, dass ein Wiederaufbau bis zum langen Rennwochenende ausgeschlossen war. Hier zeigte sich einer der entscheidenden Vorteile der Biofaserbauteile im Vergleich zur Carbonkonkurrenz: Da die Biofasern sauber reißen konnten scharfkantige Splitter auf der Fahrbahn – und damit möglicherweise weitere Folgeunfälle – vermieden werden.
Bereits im Qualifying zeigten die Bioconcept-Cars, was in ihnen steckt. So startete die Start-Nr. 320 auf Platz 46 und die Start-Nr. 420 auf Platz 68. Und das bei über 120 Fahrzeugen in der Startaufstellung. Pünktlich um 15:30 Uhr am Freitag hieß es dann 24h Nonstop durch die „Grüne Hölle“. So zumindest der Plan. Nach einem Start auf trockener Rennstrecke schlug das Wetter blitzschnell um. Während an der Start- und Zielgeraden noch darüber nachgedacht wurde, wann von Slicks auf Regenreifen umgestiegen werden muss, kam die erste Rückmeldung von der Nordschleife: „starker Regen“. Jetzt wurde aus der Nordschleife eine Wasserrutsche. Wer nicht rechtzeitig auf Regenreifen umgestiegen war, musste schmerzhaft feststellen, was Aquaplaning wirklich bedeutet. Unzählige Fahrzeuge schlugen ungebremst in die Leitplanken ein und ein Wagen nach dem anderen musste in die Box geschleppt werden. Four Motors gehörte zu den wenigen Teams, welche dieses Eifelwetter unbeschadet überstanden haben – vorerst. Dem Starkregen folgte nun zäher und dichter Nebel. Während es anfangs noch „schön anzusehen“ war, entpuppte sich der Nebel später als unbezwingbares Hindernis. Und genau dieses unbezwingbare Hindernis wurde dem Porsche Cayman 718 GT4 mit Immanuel Vinke am Steuer zum Verhängnis. Wegen eines vorausgegangenen Unfalls auf der Nordschleife musste er bei einem „doppel-Gelb-Abschnitt“ runterbremsen. Dies übersah allerdings sein Hintermann und krachte ungebremst ins Heck des 420`s. Dies bedeutete für beide Beteiligten ein vorzeitiges Aus des Rennens. Aber Glück im Unglück. Wegen des immer stärker werdenden Nebels und teilweise Sichtweiten weit unter 50 Meter, musste die Rennleitung um 21:37 Uhr die Reißleine ziehen und das Rennen unterbrechen. Rote Flagge! Hierdurch hatte der technische Support von Four Motors, Project 1, nun die Zeit das Auto wieder startklar zu machen. Die ganze Nacht schraubte das Team von Project 1 am Cayman 718 GT4 und schaffte das scheinbar Unmögliche. Die Teilnahme beider Fahrzeuge beim Re-Start. Um 12 Uhr am Sonntag, nach einer Negativrekord Unterbrechung von 14,5 Stunden, sprangen die Ampeln wieder auf Grün und die letzten dreieinhalb Stunden wurde es wieder laut in der Eifel. Trotz eines Crash, der immer noch schlechten Sichtverhältnisse auf der Strecke und der Unterbrechung schaffte Immanuel Vinke eine Rundenzeit von 9:10.748 (auf 25,378 Kilometer). Um 15:30 Uhr wurde die schwarz/weiß karierte Flagge geschwenkt und das Rennen war beendet. Trotz des Wetters und den vielen widrigen Umständen schafften es die Fahrer von Four Motors Plätze gut zu machen und landeten in der Gesamtwertung auf Platz 42 (320) und Platz 44 (420). Seit Anfang der 2000er zeigt Tom von Löwis nun mit seinem Rennstall, dass alternative Kraftstoffe, Recycling Öle und Bio-Leichtbauteile eine wirkliche Alternative im Rennsport sind und in Zukunft auch auf unseren Straßen durchaus Sinn ergeben und uns allen einen positiven Mehrwert liefern können.
Porsche 911 GT3 CUP
SECHSZYLINDER-ALUMINIUM-BOXERMOTOR (HECKLAGE):
Hubraum 3.996 ccm
Hub 81,5 mm
Bohrung 102 mm
Leistung 485 PS (357 kW)
Top Speed 285 km/h
Drehmoment 480 nm von 4.750 – 6.250 U/Min
Getriebe Seq. Porsche Sechsgang-Klauengetriebe
Kraftstoff E20 – CropEnergies
Öl Reraffiniertes Motoröl – Wolf OilFAHRZEUG DATEN:
Länge 4.564 mm
Breite 1.980 mm
Höhe 1.246 mm
Radstand 2.456 mm
Leergewischt 1.200 kg
Tankinhalt 100 Liter
Fahrwerk KW Gewindefahrwerk
Bio-Leichtbauteile Fahrertür (Beifahrertür, Frontdeckel und Heckdeckel in Planung)Start-Nummer: 320, Fahrer: Smudo, Tom von Löwis, Thomas Kiefer und Charles Kauffman
Porsche 718 Cayman GT 4 Clubsport
SECHSZYLINDER-ALU-BOXERMOTOR (MITTELMOTORBAUWEISE MIT STARRER AUFHÄNGUNG):
Hubraum 4.000 ccm
Hub 77,5 mm
Bohrung 102 mm
Leistung 425 PS (313 kW)
Top Speed 275 km/h
Drehmoment 420 nm von 4.750 bis 6.00 U/Min
Getriebe Sechsgang PDK-Getriebe
Kraftstoff E20 – CropEnergies
Öl Reraffiniertes Motoröl – Wolf OilFAHRZEUG DATEN:
Länge 4.456 mm
Breite 1.778 mm
Höhe 1.238 mm
Radstand 2.476 mm
Leergewischt 1.300 kg
Tankinhalt 115 Liter
Fahrwerk KW Gewindefahrwerk
Bio-Leichtbauteile Türen, Front- und Heckklappe, Heckspoiler,
Radläufe sowie Front- und HeckstoßstangeStart-Nummer: 420, Fahrer: Matthias Beckwermert, Henrik Bollerslev, Welf Hermann und Immanuel Vinke
Anmerkung der Redaktion
Ich möchte mich an dieser Stelle beim gesamten Team von Four Motors, den Rennfahrern und dem Team von Project 1 herzlich bedanken. Es war mir eine Ehre und ein Spaß einem so professionellen Team vier Tage lang über die Schultern schauen zu dürfen. Hier hat sich gezeigt, was junge Männer und Frauen unter schwersten Bedingungen leisten können. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste 24h-Rennen.
Vielen Dank
Tim Baumann
Leiter Redaktion