Das Erscheinungsbild heutiger LKW und Busse ist einem Mann zu verdanken, der den ursprünglich weit vorne vor dem Fahrerhaus sitzenden Motor, unter das Fahrzeug verlegte. Paul Arendt entwickelte für die Firma Büssing den Unterflurmotor, der die Nutzfahrzeugwelt revolutionierte.
Wer kennt sie nicht, die typischen gelben Doppeldecker-Busse im West-Berlin der 1950er und 1960er Jahre. Dieser zweiachsige Doppelstock-Omnibus Typ D2U von Büssing, mit Unterflurmotor rechtsseitig hinter der Vorderachse, wurde von 1951 bis 1964 gebaut.
Gegründet wurde die Büssing AG im Jahr 1903 in Braunschweig von Heinrich Büssing. Schon am 22. Oktober 1903 wurde der erste Lastkraftwagen fertiggestellt. Alle bisherigen Erkenntnisse aus den vorherigen Erprobungen, waren als Verbesserungen in die Konstruktion eingeflossen. Angetrieben wurde das Fahrzeug von einem Zweizylinder-Ottomotor mit einer Leistung von 9 PS.
Der Transport bzw. die Beförderung von Personen war für Heinrich Büssing neben dem Transport von Gütern eine weitere Perspektive, sein Unternehmen auszubauen. Hier sah er parallel zur Eisenbahn eine Zukunft, denn die Eisenbahn war nur bedingt in der Lage, den regionalen Verkehr zu bedienen. So wurde am 3. Juni 1904 der erste betriebsfertige Motor-Omnibus, den Büssing im Linienverkehr betreiben wollte, präsentiert. Er war mit einem 20-PS-Vierzylindermotor mit einem Hubraum von 4,76 Litern versehen und konnte 12 Personen befördern. Das Fahrzeug erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h. Schon sehr früh erkannte Büssing, dass die Märkte für seine Produkte nicht nur auf Deutschland beschränkt sein dürfen. Viele Nachfragen auf den Automobilausstellungen zeigten das Interesse der ausländischen Kunden. Um dem Unternehmen eine Identität zu geben, entschloss sich Heinrich Büssing, ein Warenzeichen in Auftrag zu geben, welches er als einprägsames Signet auf Plakaten und zu Werbezwecken einsetzen konnte. Büssing bat nach dem Vorbild des vor der Burg Dankwarderode stehenden Löwen den Grafiker Hermann Fischer das Zeichen zu gestalten. Alle Fahrzeuge und Geschäftspapiere trugen ab 1913 dieses Logo. Der Löwe befand sich gut sichtbar auf dem Kühler aller Büssing-Fahrzeuge. Auch wenn dieser in seiner Form mehrfach abgeändert wurde, hatte das Markenzeichen Büssings dort seinen Platz. MAN Truck & Bus übernahm den Löwen später für ihr Firmenlogo. Auf allen MAN-Fahrzeugen befindet sich bis heute dieser Löwe. Doch dazu später.
Als Specialfabrik für Motorlastwagen, Motoromnibusse und Motoren, Braunschweig, entwickelte sich Büssing zu einem der größten Anbieter von Omnibussen und Lastkraftwagen in Mitteleuropa mit zudem beachtlichen Exporten nach Übersee. Der Mann, mit dem der Erfolg dieser Marke untrennbar verbunden ist, heißt Paul Arendt. Als Chefkonstrukteur und technischer Direktor bei Büssing entwickelte und erfand er den Unterflur Diesel-Motor. Im Jahr 1927 wurde Arendt Konstruktionschef für Motoren. Er entwickelte die ersten Frontlenker-Busse nach amerikanischem Vorbild ohne Motorhaube, die auch Fageol mit stehenden Benzin-Motoren baute. Fageol experimentierte seit 1929 mit einem in der Mitte liegenden Benzinmotor. Arendt wollte nach diesem Vorbild in Zusammenarbeit mit der Hannoverschen Waggonfabrik (HAWA) einen rahmenlosen, selbsttragenden Aufbau als Dreiachser konstruieren. Ein solcher Trambus hätte 25 Prozent an Länge gegenüber einem konventionellen Bus mit vorstehender Motorhaube eingespart. Dieser 1929 fertiggestellte Trambus besaß einen stehenden Vorkammer-Dieselmotor Typ FD 6-Zylinder mit 90 PS aus 9,5 Litern Hubraum. Dieser Motor, eine Gemeinschaftsentwicklung mit der Maschinenfabrik Körting in Hannover, war in der Mitte längs zur Fahrtrichtung auf der rechten Seite installiert, und teilte sich mit Getriebe und Kupplung einen Hilfsrahmen, der für Wartungsarbeiten seitlich ausgeschwenkt werden konnte.
1930 wollte Arendt bei Büssing einen liegenden Unterflurmotor unter dem Wagenboden unterbringen, stieß jedoch auf Widerstand im Unternehmen. Der erste Büssing-Frontlenker Tram-Bus mit stehendem Diesel-Motor wurde dann 1931 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) vorgestellt. Ein Wechsel zu Hanomag brachte ihn zur Realisation eines Frontlenker-Fahrzeugs mit einem liegend aufgehängten Unterflur-Dieselmotor in der Wagenmitte. 1933 vorgestellt, wurden mehrere Hundert als LKW und Omnibus gefertigt, bevor die Produktion bei Hanomag nur ein Jahr später aufgrund von Sanierungsmaßnahmen eingestellt wurde. Diese Entwicklung brachte Arendt 1935 zurück zu Büssing. Er wurde Chefkonstrukteur für Unterflurmotoren zum Einsatz in Omnibussen, ab 1939 auch für Lkw. Im Jahr 1941 wurde er technischer Direktor und konnte 1949 auf der technischen Exportmesse in Hannover den von ihm entwickelten Büssing Unterflur-Omnibus Typ 5000 TU vorstellen. In Braunschweig-Querum waren 1951 nach Plänen der Geschäftsleitung aus dem Jahre 1942 die modernste Schmiede Norddeutschlands und ein Presswerk vollendet worden. Hier begann Büssing, die Gesamtbelegschaft war auf 43 000 Mitarbeiter gewachsen, mit der Serienfertigung eigener Omnibuskarosserien.
Ende der Fünfziger Jahre war die Kapazität der Büssing-Werke im Braunschweiger Stammwerk erschöpft. Das Kapital des Familienunternehmens reichte nicht mehr aus, um die dringend notwendigen Fabrikationsumstrukturierungen selbst zu finanzieren. Nach einer Neuordnung der Firmenstruktur wurde Büssing 1960 erneut zu einer Aktiengesellschaft und verlegte ab 1965 den Produktionsstandort nach Salzgitter-Watenstedt. Da bei Büssing klassische Langhauber- und Frontlenkerfahrzeuge parallel zu den Frontlenkermodellen mit Unterflurmotoren angeboten wurden, ergab sich in Konstruktion und Fertigung ein erheblicher Mehraufwand.
Das wohl teuerste Projekt der deutschen Nutzfahrzeuggeschichte blieb der Versuch, ein komplettes neues Unterflur-Programm zu verwirklichen und damit die bisher betriebene mehrgleisige Fertigung aufzugeben. Eine hektische und kostspielige Phase der Umstrukturierung begann, die Millionen verschlang und das Ende der Marke Büssing einleitete.
Im Jahr 1960 erwirtschaftete Büssing zum letzten Mal Gewinn. 1962 stieg die Salzgitter AG in das Unternehmen ein und übernahm es bis 1968 vollständig. Bei Büssing war man von der Konstruktion des Unterflurmotors jedoch weiterhin voll überzeugt und entwickelte in der Folge weitere Modelle mit diesem Antriebskonzept. Beispielhaft zu nennen sind hier der Commodore Typ 16-210, bei dem auch an einem Sattelschlepper das Unterflurprinzip angewendet wurde, der jedoch nur auf wenige gebaute Exemplare kam, sowie der Supercargo Decklaster (beide 1965), dessen Fahrerhaus unter der Ladefläche angebracht war, so dass die gesamte Grundfläche für genormte Transportbehälter zu Verfügung stand. Für das Unternehmen entstanden hohe Entwicklungskosten, die diese technisch anspruchsvollen Konstruktionen mit sich brachten und sich sogar letzten Endes als Fehlinvestitionen herausstellten. Diese wegweisende Konstruktion kam aber zu früh (genormte ISO-Container setzten sich für den Straßentransport erst in den 1970er Jahren durch), so dass das Fahrzeug kaum ein Unternehmen haben mochte.
Nachdem die enormen Kosten, die Büssing aufwarf, die Salzgitter AG zu gefährden begannen, verkaufte diese ihre Tochter zwischen 1968 und 1972 nach und nach an den Konkurrenten MAN. Dieser übernahm 1971 das Management bei Büssing, aber noch bis zum Jahresende wurde der bisherige Name Büssing eigenständig fortgeführt. Ab Januar 1972 produzierte die Büssing AG dann nur noch für MAN. Die Fahrzeuge trugen ab diesem Zeitpunkt den Schriftzug MAN-Büssing, waren aber beim Kraftfahrt-Bundesamt schon als MAN-Produktion registriert. Mit dem Betriebspachtvertrag zwischen Büssing und MAN vom 30. Mai 1972 verpachtete Büssing die Werksanlagen in Braunschweig und Salzgitter-Watenstedt an die MAN. Damit endete die Existenz des Unternehmens Heinrich Büssing Nutzfahrzeuge. Bis 1973 blieben Omnibusse von Büssing sowie die Unterflur-Motor-LKW unter dem Doppelnamen MAN-Büssing nahezu unverändert im Programm, während die Frontlenker-LKW mit stehend eingebautem Motor sowie die Haubenwagen seit 1972 nicht mehr produziert wurden. Weitergebaut wurden zudem die weit verbreiteten Standard-Linienbusse, ab 1972 als MAN-Büssing und später weiter als MAN-Busse. Zunächst wurde bei den Lastwagen das Büssing-Fahrerhaus durch das der vergleichbaren MAN-eigenen Baumuster ersetzt, wogegen die technische Unterflurkonstruktion von Büssing vorerst weiterlief und von MAN in eigener Regie noch einige Jahre weitergeführt wurde.
Nach einer Übergangsphase verschwand auch der Name Büssing von Lastwagen und Bussen, wo dann anstatt MAN-Büssing nur noch MAN stand: MAN stellte noch bis 1979 Busse und LKW unter dem Namen MAN-Büssing her. Interessanterweise hat jedoch das Büssing-Markenzeichen überlebt, der Braunschweiger Löwe: Er findet sich, wenn auch in modernisierter Form, an Kühlergrill und Lenkrädern von MAN Nutzfahrzeugen.