12 Zylinder, eine Kurzleistung von 750 PS und sage und schreibe 10.000 Nm Drehmoment. Bei diesen Daten denkt man an alles, aber nicht an ein Auto. Doch diese Eckdaten gehören zu einem Fahrzeug des Technikmuseum Sinsheim, welches auf den passenden Namen Brutus hört. Doch wie kommt man auf die Idee ein Auto zu entwickeln, welches ein Volumen von 23 Golf GTI mit jeweils zwei Litern Hubraum mit sich bringt? Und wer steckt dahinter?
Mit einem Tauschgeschäft, einer Kiste und einem Lenkrad war die Idee geboren.
Angefangen hat das Projekt mit einem Tauschgeschäft. Auf einem Schrottplatz in Spanien liegt seit Jahrzehnten ein Motor, der vor sich hin vegetiert – ein BMW VI Flugmotor aus den Zeiten nach dem 1. Weltkrieg. Um diesen Motor sein Eigen zu nennen, entschied sich Hermann Layher, der Leiter des Technikmuseum Sinsheim, ein Tauschgeschäft einzugehen, welches so nur unter Motorfreunden stattfindet. Er tauschte einen Motor einer Messerschmitt Bf 109 gegen den BMW VI.
Doch was macht man mit einem so alten Motor, der seine besten Zeiten schon sehr weit hinter sich gelassen hat? Ihn einfach wieder herzurichten und in die Ausstellung zu stellen, schien für Layher nicht in Frage zu kommen. Kurzerhand schnappte er sich eine Kiste und ein altes Lenkrad, setzte sich hinter die Maschine und ihm wurde klar – das wird ein Rennwagen. Aber es soll kein Rennwagen wie jeder andere werden, sondern einer ganz im Stile der damaligen 1920er Jahre.
Aufgrund des Friedensvertrages von Versailles von 1919 war es Deutschland verboten, kampffähige Flugzeuge zu besitzen bzw. zu bauen. Da zu dem Zeitpunkt die Lager aber bereits mit fertigen Motoren gefüllt waren und sich noch unzählige in der Produktion befanden, wurde der Großteil exportiert und die Motoren, die nicht ins Ausland verkauft wurden, fanden ihren Weg zu pfiffigen Ingenieuren, welche sie in Rennautos bauten.
Das Böse zum Leben erweckt!
Bis der Motor in der Werkstatt des Sinsheimer Museums zum Leben erweckt werden konnte, schraubte das Werkstatt-Team rund um Layher ganze vier Jahre an der Maschine.
Mit einer Ladung Ruß, Qualm und dem Geruch von Öl meldete sich der BMW VI Flugmotor nach Jahrzehnten aus seinem Winterschlaf zurück. Nach der Instandsetzung des Motors stand das Team vor einer nächsten Hürde, war die Maschine doch eigentlich für den Einbau in Wasserflugzeuge wie der Dornier Wal entwickelt. Der BMW VI war der erste V-Motor (60° Bankwinkel) aus dem Hause BMW und wurde aus dem 6 Zylinder Vorgängermodell BMW IV entwickelt. Zu einer der Besonderheiten zählt, dass der Antrieb je sechs Haupt- und Nebenpleuel besitzt, eine Bauform, die zur damaligen Zeit sehr in Mode war. Aufgrund der unterschiedlichen Pleuellänge haben die Zylinder auf der rechten Seite je vier Liter Hubraum und auf der gegenüberliegenden Seite dagegen nur 3,82 Liter – zusammen ergibt dies einen Gesamthubraum von 46,92 Liter. Trotz dieser Bauweise, welche Platz und Gewicht einspart, wiegt der Motor noch immer über 500 Kg und musste irgendwie untergebracht werden. Und zugleich muss das Gefährt auch später die 585 PS Dauerleistung und die erhöhte Kurzleistung von 750 PS und damit einhergehenden 10.000 Nm Drehmoment aushalten können. Und das ganze sollte dann auch noch möglichst der Bauart aus den 1920er Jahren entsprechen. Nach einigen Recherchen und intensiver Suche entschied man sich dann letzten Endes für das Chassis eines American-La-France Feuerwehrautos von 1908.
Zwar hatte man sich jetzt für den richtigen Motorträger entschieden, doch hat ein solches Projekt immer neue Probleme und Schwierigkeiten in der Hinterhand. Das nächste war nun – der Motor muss auch irgendwie gekühlt werden. Hier entschied man sich, eine spezielle Kühlung direkt im Motorraum unterzubringen und einen zusätzlichen Tank mit 200 Liter Wasser im Heck zu verbauen. So wurde eine ausreichende Kühlmasse sichergestellt. Durch am Rahmen angebrachte Leitungen und zwei original Pumpen von 1907 wurde das Zirkulieren des Wassers sichergestellt. Die Motorkraft wird über das originale Getriebe mit drei Gängen und einer Kettentransmission an die Hinterachse übertragen.
Der wohl einzige Grill mit 750 PS. Wer ein möglichst authentisches Rennauto der 1920er Jahre baut, verzichtet selbstverständlich auch auf Dinge wie Überrollbügel, einer Spritzwand oder sonstigen Luxus. Da der Fahrer direkt hinter dem Motor sitzt, ist er eventuellen Leckagen, Abwärme usw. nahezu schutzlos ausgesetzt. Da lassen sich auch der ein oder andere Spritzer Getriebeöl im Gesicht nicht vermeiden.
In der „Fahrerkabine“ macht man es sich dann auf einer eher spartanischen Sitzbank bequem und schaut, durch ein Bodengitter, direkt auf das Masseschwungrad. Einsteigen und Losfahren ist auch nicht drin. Möchte man wie gewohnt bei dem Rechtslenker auf das Gaspedal treten, bleibt man stehen, denn die Pedale wurden ein wenig anders angeordnet: Links Kupplung, Mitte Gas, Rechts Bremse.
Anders als zu erwarten, kommt der meiste Rauch beim Fahren der Höllenmaschine nicht aus den armdicken Auspuffrohren, sondern von den durchdrehenden Reifen. Egal in welcher Situation hinterlässt Brutus auf dem Asphalt schwarze Reifenrückstände. Da das Bändigen von Brutus auch für geübte Fahrer kräftezehrend ist, kommt es nur zugute, dass man binnen weniger Minuten an den aus dem Auspuff schlagenden Flammen ohne weiteres eine Bratwurst grillen kann.
Einmal volltanken bitte!
Bei einem Interview wurde Hermann Layher einmal gefragt, wie viel der Motor verbraucht, wenn man eine halbe Stunde mit Brutus fahren würde. Seine kurze aber klare Antwort „Das halten Sie körperlich nicht durch!“ sagt alles zu den Anforderungen, die an den Fahrer gestellt werden. Laut Hersteller-Handbuch zum BMW VI Flugmotor liegt der Verbrauch bei 28 Gramm Benzin pro PS und Stunde – das entspricht ca. 210 Liter Kraftstoff pro Stunde.
Aktuell hält den Geschwindigkeitsrekord auf dem Brutus ein Waliser namens Roger Collins. Dieser fuhr in den Jahren 2007/08 auf dem Highspeed-Oval der Bosch-Teststrecke mit zwei überhöhten Steilwandkurven in Boxberg eine Geschwindigkeit von rund 200 km/h. Die Entwickler schätzen, dass Brutus noch schneller fährt, allerdings hat sich noch niemand finden lassen, der sich traut, das Gaspedal dauerhaft durchzutreten und den Motor an seine Grenzen zu bringen.
Wer Brutus mal in Action sehen möchte und auch noch viele weitere Klassiker hautnah erleben will, kann dies beim BRAZZELTAG am 14. und 15. Mai im Technikmuseum Sinsheim. Tickets hierfür gibt es auf www.brazzeltag. de oder unter dem folgenden QR-Code.
Den Namen verdankt der neue-alte Rennwagen Marcus Iunius Brutus. Er gehörte 44 v. Chr. zu den Mördern von Gaius Julius Caesar.
Wobei die Bedeutung des Wortes Brutus auch naheliegend wäre – Stumpfsinnig.www.sinsheim.technik-museum.de