Sie hatten klangvolle Namen: Alfa Romeo, Lamborghini, Balilla, Pavesi, Landini und Orsi. Allen gemeinsam war eine Eleganz, die in diesem robusten Segment der Traktoren ungewöhnlich war. Wenn man dagegen deutsche Lanz-Modelle sieht, fällt sofort das Grobe und Martialische auf, das diese Modelle verkörpern. So musste man den Glühkopfmotor der Lanz-Traktoren erst mit einem Gasbrenner anheizen, bevor er startete. Früher wurde er mit einem herausnehmbaren Lenkrad angekurbelt und fuhr mit allem, was brennbar war: Butter, Margarine oder Diesel. Diesen Glühkopfmotor fand man auch und zwar ausschließlich bei der 1881 gegründeten Orsi Trattori aus der Region Piemont in Norditalien. Die Marke entwickelte sich erfolgreich, wenn auch nie die Größe der Konkurrenten wie etwa Landini erreicht wurde. In den 1950er Jahren hielt das Unternehmen zu lange am Glühkopfmotor fest, und später fehlten die Mittel für eine Produktionsumstellung, sodass es am 2. Juli 1964 schließen musste.
Verglichen mit Orsi-Traktoren ist beispielsweise der Alfa Romeo (in Italien hieß er Balilla) der Firma Motomeccanica ein schlanker Exot, vor allem wenn es sich um ein Modell für den Weinanbau handelte. Ein Trecker mit Understatement. Denn nur wenige wissen, dass unter dem Namen der legendären Autoschmiede Schlepper nach Frankreich exportiert wurden. Ein echter Seltenheitsfaktor also, was besonders für Sammler interessant ist. Seit vielen Jahren steigen die Preise für Oldtimer-Traktoren kontinuierlich an. Traktoren bleiben lange im Einsatz, man lässt sie häufig lieber in der Scheune oder auf dem Feld verrosten, als sie zu verschrotten. Von den fast zwei Millionen Traktoren in Deutschland sind ungefähr die Hälfte älter als 30 Jahre. Daran kann man das Potential für zukünftige Sammlerstücke gut erkennen.
Das Wechselspiel aus verdeckter und frei liegender Mechanik erzeugt bei den alten Traktoren eine Ästhetik, die das Maschinelle nicht verbirgt, sondern offen zur Schau stellt. Gerade heute – in Zeiten, in denen man es gewohnt ist, dass die computergesteuerte Technik hinter einer designten Oberfläche verborgen bleibt, kann es sehr erfrischend wirken, die Funktionsweise eines Fahrzeugs mit den Augen zu erfassen. Im Gegensatz zu den rustikalen Lanz-Bulldogs lassen sich die eleganteren Alfa-Traktoren noch immer als Zeichen der Moderne interpretieren.
Bis in das Heute erstrahlt der Stern der Traktorenmarke Landini, die es immer noch gibt. Und das seit 1884. Landini hielt wie Orsi sehr lange am unverwüstlichen und zuverlässigen
Glühkopfmotor fest. Erst 1965 wurde die Produktion eingestellt. Zum beliebtesten und meistverkauften Traktorenmodell mauserte sich der L-25 und stieg in Italien in den 1950er Jahren mit dem größten Marktanteil auf. 1956 gab es die offizielle Präsentation des Landinetta Obstbautraktors und nur ein Jahr später wurde mit Perkins Engines eine Vereinbarung zur Lizenzproduktion von Dieselmotoren in Italien geschlossen. 1959 produzierte Landini mit dem Landini C35 seinen ersten Raupentraktor. Schmalspurtraktoren für den Obst- und Weinanbau entstanden ab 1982. Jene Exemplare sind besonders begehrt, da sie bei der Weinernte eingesetzt wurden. Sie verfügten über schmalere Achsen, um zwischen den Rebstöcken manövrieren zu können. Das unterstreicht nochmals die schlanke Eleganz der Marke und passt gleichzeitig besser in die Sammler-Garage. In diese gehört vor allem ein Lamborghini-Traktor. Die legendäre Sportwagenschmiede hat ebenfalls mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen angefangen. Der Legende nach verließ der Gründer Ferruccio Lamborghini das für ihn sehr erfolgreiche landwirtschaftliche Segment, weil er mit seinem Ferrari unzufrieden war und beschloss, fortan die besseren Sportwagen zu bauen. Seine Traktoren, allen voran der Lamborghinetta mit einem Zweizylindermotor und 16 kW (22 PS), einem Gewicht von 1.000 kg und einem damaligen Verkaufspreis von 1 Million Lire ist heute ein gesuchtes Exemplar.
Weniger sportlich, dafür älter: Die Geschichte von Fiat Trattori SpA begann 1918, als das Unternehmen seinen ersten Traktor, den Fiat 702, mit 30 PS (22 kW) auf den Markt brachte. Dem Modell 702 folgten etliche Varianten. Mit diesen, welche bis 1925 produziert wurden, erreichte Fiat Trattori den Meilenstein von 2.000 produzierten Einheiten. Im Jahr 1929 verkaufte das Werk bereits mehr als 1.000 Traktoren jährlich. Der erste europäische Raupentraktor kam drei Jahre später: der Fiat 700C. Im selben Jahr wurde die Produktion von Turin nach Modena verlagert. 1939 brachte das dortige Werk den ersten Serientraktor auf den Markt, den Fiat 40 Boghetto. Aufgrund einer Erfindung von Fortunato Boghetto konnte der Motor dieses Traktors mit einer Vielzahl von Kraftstoffen (Kerosin, Diesel, Alkohol, Benzin, Erdgas und Vergasergas) betrieben werden.
Die Markteinführung des Fiat 25R 1951 wurde zu einer der Schlüsselmaschinen in der Geschichte von Fiat. Dieses Modell verfügte über einen 2,3-Liter Benzinmotor mit 23 PS Nennleistung. Im Jahr 1953 ersetzte man dieses Aggregat durch eine Diesel-Maschine, die jetzt 25 PS Nennleistung aufwies. Der unter der Bezeichnung Fiat 25 RD geführte Traktor stand als Hochrad- und Standard-Ausführung zur Verfügung. Zusätzlich war eine Raupen-Variante unter der Bezeichnung 25 C erhältlich. Für seine Zeit außergewöhnlich war die serienmäßige elektrische 24 Volt-Anlage incl. Anlasser. Auch der Vierradantrieb, der auf Wunsch geordert werden konnte, war seiner Zeit weit voraus. Der innovative orangefarbene Traktor (der erste einer langen Serie von Traktoren bis 1983) half Fiat beim Eintritt in den europäischen Agrarmarkt. Produziert in einer großen Anzahl von Modellen, in Obstgarten- und Forstwirtschaftsversionen, wurden fast 45.000 Einheiten dieser bemerkenswerten Maschine auf den Markt gebracht. Das beliebte Orange verschwand später als Fiat Trattori zu FiatAgri umbenannt wurde und änderte seine Lackierung zu Burgund, die bei allen neuen Traktoren verwendet wurde.
Deutlich seltener anzutreffen sind Oldtimer der Marke Carraro.
Die Ursprünge gehen zurück bis ins Jahr 1910, als der Schmied Giovanni Carraro auf der Industriemesse in Padua eine Mehrzweckmaschine zum Pflügen, Säen, Eggen und Walzen vorstellte. In den 1950er Jahren wurde mit dem Geräteträger Universal der erste Carraro-Traktor entwickelt. Sein jüngster Sohn Antonio gründete 1960 die Firma Antonio Carraro di Giovanni und im gleichen Jahr wurde der erste Einachsschlepper des Unternehmens vorgestellt. Bereits ein Jahr später folgte der erste gebaute Einachstraktor und erhielt den Namen „Scarabeo“. Carraro begann dann 1964 mit der Entwicklung eines 20 PS starken Traktors mit Knicklenkung. Dieser bildete den Grundstock der späteren Tigre-Baureihe.
Groß und bekannt hingegen ist die von den Brüdern Francesco und Eugenio Cassani 1942 gegründete Marke SAME (Società Accomandita Motori Endotermici), was auf deutsch Kommanditgesellschaft für endothermische Motoren bedeutet. 1927 entwarfen und konstruierten die beiden einen Traktor mit dem Namen Cassani 40 PS, der durch einen Dieselmotor angetrieben wurde – einer Antriebsart, die seit den 1920er Jahren für Fahrzeuge in der Industrie, beim Militär und für Eisenbahnen eingesetzt wurde. Es handelte sich um einen liegenden Zweizylindermotor, der als Zweitakter mit einem Hubraum von 12.723 cm³ konzipiert war und bei 550 U/min eine Leistung von 40 PS brachte. Die Zündung erfolgte mit Hilfe eines zigarettenähnlichen Glüheinsatzes, welcher dafür sorgte, dass der Kraftstoff in den Leitungen besser zündete und der Motor unter Druck gestartet wurde. Anfangs stellte SAME Verbrennungs- und Dieselmotoren für den zivilen und industriellen Gebrauch sowie Winden, Kräne, Pflüge und Feuerlöschpumpen her. 1946 entstanden die ersten selbstfahrenden, mit Petroleum betriebenen Mähmaschinen mit 8 PS. Ende der 1950er folgte die Einführung des eleganten SAME 240. Dieser wurde als intelligenter Traktor bezeichnet, da er erstmals serienmäßig mit der automatischen SAC-Steuerung (Stazione Automatica di Controllo) von SAME ausgestattet war, mit der die Kraft der Kraftheber gesteuert wurde und die in den darauf folgenden Jahren in alle Fahrzeuge einfloss. Er hatte einen Zweizylindermotor mit 42 PS, 6 Vorwärts- und 1 Rückwärtsgang und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 28,9 km/h. – Auch die Ästhetik dieses Fahrzeugs ist bestechend, wie so vieles aus Italien: Mode, Stoffe, Design. Und zeigt anschaulich, dass Nutzen auch schön sein kann und das Auge erfreuen darf.