Frischzellenkur aus Cottbus: Der Wankelmotor, vermeintlich ein abgelegter Hut aus den Fünfzigerjahren, könnte zum nachhaltigen Energielieferanten im Auto von morgen werden – dank Wasserstoff und einem Entwicklerteam in der Lausitz
Es klingt wie das Zusammentreffen von Vergangenheit und Zukunft: Der Wankelmotor und der Wasserstoff – lassen diese beiden sich zu einem bahnbrechenden Energielieferanten für Fahrzeuge und für stationäre Stromgeneratoren ergänzen? Ja, ist Holger Hanisch überzeugt. Der promovierte Jurist ist Geschäftsführer der Cottbusser Wankel Supertec GmbH. Die Firma wurde 2003 gegründet, also im neuen Jahrtausend. Dennoch gibt es hier eine „Mitarbeiterkontinuität“, die bis zu Felix Wankel und den unter seiner Leitung erzielten technologischen Durchbrüchen (Drehkolbenmotor 1954, Kreiskolbenmotor 1957) zurückreicht: „Im Hintergrund wirken bei uns der ehemalige Wankel-Chefingenieur Dankwart Eiermann als Berater und dessen langjähriger Mitarbeiter Rudolf Klotz“, erklärt Hanisch. An „Stallgeruch“ mangelt es den Entwicklern in Cottbus also nicht.
Zur Gedächtnisauffrischung: Das Revolutionäre am Wankelmotor im Automobil war seinerzeit die (anders als beim üblichen Hubkolbenmotor) kreisförmige Abfolge von Einspritzung, Kompression, Zündung und Ausstoß. Statt sich hebender und senkender Kolben in Zylindern, rotierte hier ein dreiseitig abgerundeter „Läufer“ in einer einzigen Brennkammer und verdichtete dabei das Treibstoffgemisch, bevor es die Zündkerzen erreichte. Die Vorteile dieser Anordnung: weniger benötigte Bauteile, größere Kompaktheit und geringeres Gewicht des Motors, dazu höhere Laufruhe. Für Furore sorgte der Wankel anfänglich im NSU Wankel Spider (1964) und im Ro 80 derselben Firma (1967).
Dann jedoch geriet der Wankelmotor als Antriebsaggregat im Automobil bald ins Hintertreffen und spielt heute – bis auf wenige Weiterentwicklungen, vor allem durch Mazda – keine Rolle mehr. Das liegt an den mindestens ebenso eklatanten Nachteilen im Vergleich zum Hubkolbenmotor: relativ hoher Kraftstoffverbrauch, potenziell hoher Zündkerzenverschleiß, Dichtungsprobleme und hoher Ausstoß von toxischen Kohlenwasserstoffen aufgrund unvollständiger Verbrennung des Benzins in der ungünstig geformten Brennkammer.
Genau hier nun kommt der Wasserstoff ins Spiel – als regenerative Alternative zum Kohlenstoff-Treibstoff. Denn bei Wankel Supertec arbeitet man nicht etwa mit der futuristischen Brennstoffzellen-Technologie. Hier geht es um die konventionellere Wasserstoffverbrennung. H2 wird bekanntlich durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen, das mittels elektrischem Strom in seine Wasserstoff- und Sauerstoffanteile aufgespalten wird. Wenn der Wankel Wasserstoff verbrennt, trifft zumindest unter Sicherheitsaspekten der ideale Motor auf das ideale Medium, so Supertec-Entwicklungsingenieur Martin Halbasch: „Der Wankelmotor braucht keine Ventile, daher hat der Wasserstoff keine Berührung mit heißen Teilen, bevor der rotierende Brennraum die Zündkerze überschreitet und der Kraftstoff gezündet wird. Es gibt also kein Risiko einer versehentlichen Knallgas-Explosion, die nicht im Motor verbliebe.“
Der Wasserstoff-Wankel soll aber nicht direkt das Automobil antreiben, sondern einen Generator, der dann Strom in die Batterie einspeist. Somit dient er als Reichweitenverlängerer oder Range Extender (RE) für ein E-Mobil (siehe Grafik). Bei Wankel Supertec plant man für die nähere Zukunft mit einem Dual-Fuel-RE: teils speist Wasserstoff, teils Benzin oder Erdgas den Wankel. „Das Netz der Wasserstoff-Tankstellen ist derzeit noch nicht engmaschig genug“, erklärt Hanisch. Zwar ist Deutschland mit allein rund hundert H2-Zapfstellen neben Japan und Südkorea eines der drei weltweit führenden Länder. Doch im übrigen Europa gibt es nur etwa 30 weitere Tankstellen.
Daher könnte etwa ein Flottenbetreiber seine Fahrzeuge hierzulande mit Wasserstoff vom Hof rollen lassen, die dann aber auf Benzin umschalten, wenn im Nachbarland der H2-Tank leer ist. Mit einer Tankfüllung von fünf kg Wasserstoff und einem einscheibigen 500ccm-Wankel würde ein „vernünftig gefahrenes“ Mittelklassefahrzeug bei einer Gesamtausbeute von 50 Kilowattstunden etwa 300 Kilometer Reichweite erzielen, schätzt Hanisch. Die Kosten für das komplette RE-System samt Generator, Elektronik und Tanks sieht er eines Tages dank Großserienproduktion bei „unter 10.000 Euro“ – viel günstiger als die Brennstoffzellen-Technologie.
In der Leistungsausbeute liegt indes auch der Grund, warum der H2-Wankel nicht zum Direktantrieb eines Fahrzeugs vorgesehen ist: „Unsere Motoren sind dafür nicht optimal ausgelegt“, erklärt Hanisch. „Im niedrigen Drehzahlbereich schwächelt der Wankel noch ein wenig. Statt also ständig dynamisch einen weiten Drehzahlbereich abdecken zu müssen, fährt er als RE nur einmal hoch und bleibt dann ständig an seinem Optimalpunkt.“ Erstmals will Hanisch im Herbst in Kundenauftrag ein RE-System mit seinem Wankel vorstellen. Doch dabei wird der Motor vorerst noch mit konventionellem Kraftstoff angetrieben. „Serienreif sind wir leider noch nicht; es gibt derzeit bei einigen Motorkomponenten noch Verbesserungsbedarf.“ Und leider ist auch bei H2-Verbrennung eine Abgasreinigungsanlage unvermeidlich, denn Stickoxyde aus dem Luftanteil im Brennraum fallen auch hierbei an.
Trotz dieser offenen Fragen blickt man bei Wankel Supertec in Cottbus bereits über die RE-Anwendung des Kreiskolbenmotors in Kraftfahrzeugen hinaus. Die kürzlich mit einem Partner aus dem Luftfahrtbereich gegründete Tochter Wankel Aviation GmbH befasst sich mit Entwicklungen von luftfahrtzertifizierten Wankelmtoren, die irgendwann auch H2-getrieben sein könnten. Doch die besonders hohen Sicherheitsanforderungen zur Verhinderung von Explosionsgefahr in Flugzeugen lassen das als ferne Zukunftsmusik erscheinen. Eine Crowdfunding-Runde immerhin soll im September beginnen.
Viel näher liegt die Nutzung des H2-Wankel für die stationäre Stromerzeugung in schlecht zugänglichen Gebieten – statt Dieselgenerator. Wäre nicht Corona ausgebrochen, würde eine solche transportable Anlage zur Wiederverstromung von elektrolytisch gewonnenem Wasserstoff, jetzt schon im brasilianischen Amazonasgebiet arbeiten. „Der schon fast unterschriftsreife Auftrag hat sich zerschlagen, weil die persönlichen Kontakte zum Kunden vor Ort monatelang nicht möglich waren“, bedauert Hanisch. In einer Anlage zur H2-Verstromung per Wankelmotor, mit vorgeschalteter Photovoltaik oder Windkraft für die Elektrolyse, sieht er aber nach wie vor eine aussichtsreiche Nutzung von Wasserstoff als nachhaltigen Energiespeicher. Der Geist von Felix Wankel dürfte da wohlgefällig nicken.