Der D2066 ist ein von MAN entwickelter schwerer Dieselmotor mit Common-Rail-Hochdruckeinspritzung. Er findet Einsatz im Bus-, LKW- und Stationärbetrieb, weswegen dieser Motor in sehr vielen unterschiedlichen Ausführungen erhältlich ist. In diesem Artikel wird ausschließlich die LUH-Ausführung (Ladeluft gekühlter Unterflurmotor für Heckeinbau) behandelt. Neben dieser gibt es z.B. noch die Ausführung LF (Ladeluft gekühlt für Frontlenker), LOH (Ladeluft gekühlter Oberflurmotor für Heckeinbau) und LE (Ladeluft gekühlter Einbaumotor).
Erst einmal kurz etwas zur Historie: Der D20 ist der Nachfolger
des D28 und zeichnet sich durch seine Laufruhe und seine geringen Geräuschemissionen aus. Der Grundaufbau des Motors ist sehr einfach. Die Stirnradgetriebe an Vorder- und Rückseite des Aggregates sind ausschließlich gerade und sehr grob verzahnt, was den Rädertrieb sehr robust gegen Fremdeinwirkung macht. Der Motor besitzt eine im Kurbelgehäuse sitzende Rotorpumpe für den Schmieröl-Kreislauf, ein Bosch Common Rail-System mit Magnetventil-Injektoren (Arbeitsdruck 1800 bar) und einer Kraftstoff-geschmierten Radialkolben-Hochdruckpumpe, einen einteiligen Zylinderkopf aus Grauguss sowie nasse Laufbuchsen und verschiedene Varianten an Druckluft-Kompressoren und ein- bzw. mehrstufigen Verdichtern.
Das Aggregat das wir nun behandeln ist ein D2066 LUH 48 – also eine 360 PS Maschine die 1800 Nm Drehmoment drückt. Bevor wir das Aggregat ausgebaut und zerlegt haben ging es erst einmal an die Fehlerdiagnose – denn nichts ist wichtiger als eine genaue Diagnose, bzw. Lokalisierung des Maschinenschadens. Schon beim durchdrehen des Starters war zu hören, dass mindestens ein Zylinder keine Kompression hat – außerdem war ein stark erhöhtes Blow-out aus dem Öleinfüllstutzen sichtbar. Der 1,6 Tonnen schwere Antriebsstrang musste also demontiert werden.
Und wie auch schon befürchtet stießen wir nach dem Abnehmen des fast 200 kg schweren Zylinderkopfes auf folgendes Schadensbild: Der Kolben des 4. Zylinders war auf der Bolzenachse gerissen und hatte schwerste Fressspuren in der Laufbuchse hinterlassen. Das erklärte auch die mangelhafte Kompression, bzw. den extrem unruhigen Motorlauf. Wäre man mit diesem Schaden weitergefahren, hätten wir auch auf folgendes Schadensbild stoßen können:
Bei diesem D20, ebenfalls ein LUH 48-Aggregat, war der Kolben des entsprechenden Zylinders einfach nicht mehr vorhanden. Damals sehr wahrscheinlich verursacht durch einen abgerissenen Ventilteller. Bei Nutzfahrzeug-, bzw. Industrie-Motoren können solche Ereignisse zu extrem schweren Schäden führen – sogar bis hin zum Fahrzeugbrand. Deswegen verfügen viele Busse heute über Brandmelde-Anlagen, gerade weil in ihren Motorräumen weitaus höhere Temperaturen herrschen als z.B. beim LKW.
Nach dem Prüfen und Reinigen sämtlicher Teile kamen wir zu dem Entschluss, dem Motor 6 neue Kolben und Laufbuchsen sowie ein neues Pleuel zu spendieren – denn die Ursache für diesen Schaden war folgender: Kolbenbrüche, bzw. -platzer sind sehr oft Anzeichen für eine Überlastung durch ein fehlerhaftes Einspritzelement, vor allem wenn der Riss quer zur Bolzenachse geht. Der Injektor hatte also sehr wahrscheinlich einen Nadelklemmer, sodass der Kraftstoff nicht mehr aus mehreren, sondern nur noch aus ein oder zwei Löchern der Düse gespritzt wurde. Das erkennt man sehr schön an dem ‚Einschussloch‘ rechts der Brennraummulde. Durch das Durchblasen des Zünddrucks (Der D20 arbeitet mit einem maximalen Zünddruck von 200 bar) wurden die ‚Kolbenhälften‘ mit Gewalt gegen die Zylinderwände gepresst – es kam zum Fresser, bzw. verschmieren des Kolben-Materials. Bei solchen Injektor-Fehlfunktionen sollten bei der Schadensdiagnose vor allem die Lagerungen von Pleuel und Kurbelwelle überprüft werden! Denn eine solche Überlastung endet selbstverständlich nicht unterhalb des Zylinders, sondern überträgt sich auf den gesamten Kurbeltrieb.
Sehr schön zu erkennen: Die linke Hauptlagerschale war eines der Hauptlager, die die Last des Zylinders 4 aufgenommen haben. Leider existiert vom Pleuellager kein Bild mehr. Sowohl das Lager als auch die Lagerbuchse des Bolzenlagers im Pleuel waren durch den Überdruck deutlich beschädigt worden. Die Pleuel- und Hauptlager des D20-Motors sind eigentlich extrem robust und können einiges wegstecken.
Links zu sehen ist der komplette Rädertrieb (vorne und hinten) mit Nockenwelle, Ölpumpe und den Kipphebeln. Das Kurbelgehäuse wird nun von Grund auf neu aufgebaut.
Hierzu gehört auch eine Überholung des Zylinderkopfes. Der durch das AGR-System zurück geführte Ruß hinterlässt ab einer gewissen Laufleistung deutliche Spuren auf Ventiltellern und -sitzen. Der Laufruhe und Leistung des Motors zuliebe sollten solche Ventile unbedingt entsprechend instandgesetzt werden: Die Sitzwinkel betragen hier 30°, bzw. 45°. Nach der Montage des Ventiltriebes wird der Zylinderkopf wieder aufgesetzt.
Die Schrauben bekommen (Nach einigen Voranzügen) einen Anzug von 300 Nm + 3 x 90° Winkelanzug – Hier wird also schweres Werkzeug benötigt. Allein das Kurbelgehäuse mit Kurbeltrieb und Zylinderkopf bringt jetzt schon über eine halbe Tonne auf die Waage. Während der Grundmotor des D20 sehr robust ist, sind es aber leider viele Sekundärbauteile, die immer wieder für Probleme sorgen: Kavitationsschäden von Wasserpumpengehäusen oder völlig zerstörte Hochdruck-Verdichter sind hier keine Seltenheit. Dies bezieht sich allerdings nur auf bestimmte Leistungskennzahlen der LUH-Ausführung. So hat z.B. die Umstellung des Kühlwassers die Kavitationsprobleme weitgehend beseitigt.
Auch das Verwenden der richtigen Motorentlüftung kann einen Schaden an den Verdichtern verhindern. Nachdem der Motor nun komplettiert wurde, sind wir wieder bei einem Lebendgewicht von fast 1200 kg angekommen. So eine Komplett-Revision kann locker 3, manchmal sogar 4 Wochen dauern – je nach Schaden, Aufwand und Verfügbarkeit der Teile.
Vielleicht zum Abschluss noch einige technische Details am Rande: Der D2066-Motor fährt in dieser Verdichter-Ausführung einen Ladedruck bis 3,5 bar. Ermöglicht wird dies durch eine Zwei-Stufen-Aufladung mit Zwischenkühlung. Die Abgas-Sperrklappe zwischen Motor und Abgasnachbehandlung dient hier nicht als Motorbremse, sondern verhindert im Schubbetrieb das Auskühlen der Filter und Katalysatoren der CRT- und SCR-Anlage. Mittlerweile ist der D2066 allerdings veraltet und wurde von seinem Nachfolger, dem D1556, abgelöst. Die LUH-Ausführung ist gerade bei den Leistungskennzahlen ab LUH 50 an vielen Stellen sehr schwer zugänglich. Ein Ausbau der Zwei-Stufen-Verdichtung ist im eingebauten Zustand nur sehr schwer, bzw. mit Spezialwerkzeug möglich.
Wer sich unnötigen Ärger ersparen und Verletzungen vermeiden möchte fertigt sich ein entsprechendes Gestell zum Ausbau des Antriebsstranges an – das erleichtert das Arbeiten ungemein.//