Es wirkt alles noch recht unspektakulär, als David Wieprich mit seinem goldfarbenen Mercedes W123 um die Ecke biegt. Der 2,5L Reihen-6-Zylinder erzählt uns seine Geschichte, kraftvoll und gediegen geben die 140 PS des M123 uns eine kurze aber klare Rückmeldung darüber, was alte und gut gehütete Motoren für eine Standfestigkeit beweisen können.
Doch heute geht es eigentlich gar nicht um dieses Schmuckstück von 1980. Heute sollen „nur“ 3 Räder unser Fokus sein. Der Weg führt zu einer Plane, worunter sich ein noch viel älterer Zeitzeuge befindet. Zum Vorschein kommt ein Motorrad. Ein Beiwagen-Gespann, um genau zu sein. Die KMZ K750 von 1959 präsentiert sich in einem auf den ersten Blick nahezu perfekten Zustand. Wir stehen hier nicht vor einem „normalen“ Straßen-Motorrad, sondern vor der damalig explizit angepassten Militärvariante. Als Zivilfahrzeug unter der Bezeichnung M72 bekannt, kommen hier so manche Kleinigkeiten zum Vorschein, welche den gesonderten Anwendungszweck deutlich machen.
Noch bevor wir uns alles richtig anschauen können, gerät ihr Besitzer schon ins Schwärmen. „Ich wollte ja niemals Motorrad fahren, hatte nicht mal einen Führerschein. Das war damals nichts für mich.“ Soweit der Stand vor gut 2 ½ Jahren. Doch das Schicksal hatte andere Pläne. Auf der Suche nach einem passenden Gefährt für seine Freundin begegnete David unerwartet dem „Molotov“, wie das Gespann im Osten früher gern genannt wurde. Die unweigerliche Folge: Gesehen, verliebt, gekauft. Der fehlende Führerschein jetzt nur noch Formsache.
Mittlerweile sind unzählige Arbeitsstunden in die Aufbereitung der Maschine geflossen. Eine neue Lackierung, Aufbereitung von Polstern und Abdeckungen, diverse Zierelemente, alles wurde Stück für Stück aufbereitet, überholt, repariert und wieder an Ort und Stelle gebracht. Auch das gesamte Fahrgestell hat eine Auffrischung erhalten. Wenn schon so ein Projekt, dann aber auch richtig. Gut, wenn man dann zu so einem besonderen Fahrzeug auch noch originale Werkshandbücher, technische Daten und sogar das originale Bordwerkzeug hat. Selbstverständlich hat David all dies bereits hervorgeholt und präsentiert es voller Stolz.
Hier trifft Fachwissen auf einen weiteren wichtigen Punkt im Bereich Oldtimer. Matching Numbers. Ein Begriff, welcher in Oldtimer- und Liebhaberkreisen einen kaum zu beziffernden Stellenwert einnimmt.
Auch das Herzstück der K750, der ca. 26 PS starke 2-Zylinder Motor mit 746 ccm hat volle Aufmerksamkeit erhalten. Anders als bei den meisten bekannten Motorradmotoren liegen die Zylinder hier horizontal im Winkel von 180 Grad. Ungewöhnlich, im Fahrstil etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht weniger effizient. Die Zylinderbohrungen von 78mm haben mittlerweile durch Verschleiß Kolben im 1. Übermaß bekommen, so sind viele weitere Jahre Zuverlässigkeit und Leistung gesichert. Zuverlässigkeit, ein wichtiger Punkt, wenn man bedenkt, dass die ca. 350Kg der Maschine PLUS Fahrer und ggf. Beifahrer auch durchs Land bewegt werden wollen.
Einzige Änderung zum ursprünglichen Motor: Die Flachschiebervergaser. Diese wurden von der „Straßenvariante“ M72 übernommen, um etwas direktere Ansprache am Gas zu bekommen. „Das ist vor allem im Stadtverkehr wichtiger, als man denkt“. Insgesamt ist das Gespann aber zu ca. 95 % im Originalzustand, was ein enorm hoher Satz ist, wenn man bedenkt, unter welchen Voraussetzungen diese Maschinen früher im Einsatz gewesen sind. Bis heute gibt es diverse Nachbauten, welche sich für Laien kaum unterscheiden werden, doch hier trifft die Leidenschaft zum Detail erneut. Kenner werden mit wenigen Blicken auf den Motor sofort sehen, dass es sich hierbei zweifelsohne um ein altes Militärmodell handelt. Zum einen verraten es die 3 großen Kühlrippen des Zylinders (die neuen Modelle haben mehr Rippen), zum anderen zeigen die vor und nach der Motornummer eingeschlagenen Sterne, dass dieser Motor ursprünglich nicht für den zivilen Einsatz gebaut wurde.
Technische Daten
Motortyp: Viertakter
Zylinderzahl: Zwei
Lage der Zylinder: Horizontal im Winkel von 180 Grad
Bohrung: 78 mm
Hub: 78 mm
Hubraum: 746 ccm
Kompression: 5,5 +/- 0,2
Höchstleistung bei 4450-4800 U/Min: Mindestens 22 PS
Kühlung: Luftkühlung
Ventillage: Unten
Schmiersystem: Kombiniert – Zahnräderpumpe und Spritzsystem
Am Rahmen des Motorrads ist ein Typenschild angebracht, welches eindeutige Werte angibt: Modell, Rahmennummer, Motornummer, Baujahr und ccm Angabe. Alle Daten passen zueinander, das Gefährt steht also genau so vor uns, wie es damals zusammengebaut worden ist. Ebenfalls sehr beeindruckend: Die 5-stellige Motornummer. Mittlerweile sind 9-stellige Motornummern bekannt, was auf die wahnsinnig große Produktionsauflage blicken lässt, und gleichzeitig aussagt, wie wertvoll dieses „alte Schätzchen“ inzwischen ist. Nach vorsichtiger Schätzung eines Experten liegt dieser im Übrigen aktuell bei ungefähr 15.000 €. Ein Wert, welcher verglichen mit dem symbolischen und emotionalen Wert allerdings trotzdem verschwindend gering erscheint.
Es ist immer wieder wundervoll zu sehen, wie sich Menschen mit derartiger Leidenschaft um den Erhalt solcher Schmuckstücke kümmern, wieviel Energie, Verständnis, Zeit, und am Ende natürlich auch Geld in solch ein Hobby fließen. Obwohl. Hobby? David hat hierzu eine klare Meinung:
„Das ist nicht nur ein Hobby, das ist Liebe!“