Wenn von Oldtimern die Rede ist, denken wohl die meisten an automobile Preziosen wie den Mercedes 300 SL, Ferrari 250 GT, Porsche 356 oder auch Alfa Romeo 8C und Aston Martin DB5: schön, begehrenswert, aber leider auch unerschwinglich. Doch das stimmt so nicht. Der hiesige Oldtimer-Markt ist durchwachsen und regional nach Kaufkraft und Begeisterung sehr unterschiedlich geprägt. Vor allem aber ist der Einstieg in die Oldtimer-Szene gar nicht so teuer wie manch einer denkt – kommt immer drauf an, was man fahren will und ob man in Hamburg wohnt oder in Bottrop.
So das Ergebnis der von BBE Automotive mit Unterstützung von VDA, VDIK und ZDK erstellten vierten Studie zum Young- und Oldtimer-Markt in Deutschland. Auf Basis der Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) und einer bundesweit angelegten Befragung von etwa 300 Werkstätten mit Classic-Engagement wurde der Bestand der Old- und Youngtimer, die in der Freizeit als Hobby oder Anlageobjekt genutzt werden, analysiert. In Summe zählt die Studie rund 1,4 Millionen Fahrzeuge, zu denen neben den klassischen Oldtimern ab 30 Jahren knapp 600.000 zumeist über 20jährige Youngtimer zählen, die sicheres Potenzial hätten, Oldtimer zu werden.Von den Oldtimern mit offiziellem Gutachten und H-Kennzeichen zählte das KBA Anfang 2020 in Deutschland genau 526.020 Zulassungen. Dazu rechnet die BBE-Automotive-Studie außerdem die rund 200.000 nicht zugelassenen Modelle aus Sammlungen und Museen, die nicht oder über 07er-Kurzkennzeichen gefahren werden. Macht unterm Strich einen Bestand von 857.044 Oldtimern, der damit in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen ist, allein zum vergangenen Jahr um 13,3 Prozent.
Deutsche Marken dominieren
Den größten Anteil daran stellt VW mit 183.190 Modellen, gefolgt von Mercedes-Benz mit 174.263 Exemplaren, die damit zusammen allein 43 Prozent des Oldtimer-Marktes ausmachen. Erst mit großen Abstand folgen BMW (51.054), Opel (49.248) und Porsche (43.839). Mit mehr als 20.000 Einheiten schaffen es die zwei Importmarken Fiat und GM unter die Top10. Bei den einzelnen Modellen wiederum halten die VW-Dauerläufer Käfer (53.228), Golf (41.393) und VW-Bus T1,T2 T3 (36.997) die drei vordersten Plätze. Dahinter reihen sich der Mercedes W123 (28.936) und der Trabi (27.461) ein.
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Studie: die Liebe für Oldtimer hat nicht zwingend etwas mit der Kaufkraft zu tun. So stellen in der Verteilung nach Postleitzahlen zwar Hamburg, Düsseldorf und München die mit Abstand höchsten Oldtimerquoten. Nach Kreisen aufgeschlüsselt jedoch ist Bottrop mit doppelt so hohem Bestand (3,8 Prozent) im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (1,8 Prozent) die Oldtimer-Hochburg. Der zweite Blick zeigt allerdings auch: Im Vergleich zu München etwa setzt sich der Oldtimeranteil im Ruhrpott zur Hälfte aus VW, Opel und Ford zusammen, die in der Isar-Metropole mit 21,1 Prozent nicht mal den Anteil des Mercedes-Kontingents ausmachen.
Oldtimerbestand rund 24 Milliarden wert
Kaum weniger interessant ist der Wert des deutschen Oldtimerbestands, den die Studie mit Hilfe von Expertenschätzungen erstmals ermittelt hat. Demnach ist die deutsche Oldtimer-Flotte insgesamt rund 24 Milliarden Euro schwer. Wobei hier die Hälfte auf die Fahrzeuge mit H-Kennzeichen entfällt und gut ein Drittel ohne Zulassung in Sammlungen, Museen oder beim Restaurator stehen. Besonders aufschlussreich ist dabei das Verhältnis zwischen Bestands- und Wertanteil.
Weil die meisten Oldtimer einen Wert zwischen 5.000 bis 20.000 Euro repräsentieren, machen mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der zugelassenen Fahrzeuge zusammen gerade mal ein Drittel (35 Prozent) des gesamten Bestandswerts aus. Wohingegen beispielsweise die zwei Prozent der Modelle von 100.000 bis 250.000 Euro und die 0,4 Prozent der noch teureren zusammen fast 20 Prozent Anteil besitzen. Umgekehrt liegt die zweitgrößte Gruppe mit 41 Prozent der zugelassenen Oldtimer nur bei einem Wert von bis zu 10.000 Euro. „Somit ist der Einstieg in die Oldtimerszene erschwinglich“, sagt BBE Automotive Geschäftsführer Gerd Heinemann.
Wertmeister Mercedes-Benz
Bei den einzelnen Marken wiederum hält Mercedes-Benz mit 174.263 Zulassungen im Wert von geschätzten 3,6 Milliarden Euro den höchsten Bestandswert (23 Prozent), gefolgt von Porsche mit 43.839 Modellen im Wert von 3,0 Milliarden Euro (19 Prozent). Auf dem dritten Platz liegt VW (13 Prozent), die zwar mit 183.190 Zulassungen die meisten Oldtimer im Markt stellen, dessen Gesamtwert sich jedoch auf „nur“ 2,0 Milliarden Euro summiert.
Womit zugleich sichtbar wird, warum die Oldtimer-Branche trotz vergleichsweise überschaubarer Stückzahlen insgesamt große wirtschaftliche Bedeutung hat. Mehr als 3.500 Werkstätten und Autohäuser mit über 9.000 Beschäftigten engagieren sich hier, darunter 780 Classic-Werkstätten mit ZDK-Zertifizierung. 3.000 Händler liefern Teile, dazu 50 Großhändler als Spezialisten. Es gibt mehr als 1.000 Museen und Sammlungen in Deutschland und von 4.000 Events, darunter mehr als 50 Messen, im Jahr profitieren viele weitere Branchen. Wenn auch nicht gerade im aktuellen. Die Corona-Pandemie hat erwartungsgemäß bei 60 Prozent der Umfrage-Teilnehmer zu Umsatzeinbußen geführt. Es herrsche aber Optimismus für das Jahr 2021, heißt es in der Studie. Zum einen wegen der stabilen Preise gerade auch für Premiummarken. Zum anderen rückten Importmarken und Volumenmodelle nach, die neue Kunden rekrutieren. Bei den fernöstlichen Herstellern etwa steigt die Quote der Youngtimer, bei den anglo-amerikanischen die der Oldtimer.
Greta-Generation darf sich entspannen
Nicht zuletzt genießt die Oldtimer-Szene generell große Sympathien. Insbesondere im Mutterland des Autos werden sie als technisches Kulturgut gesehen. Ergebnisse aus der 2020er Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) zeigen, dass sich 43 Prozent der Bevölkerung freuen, wenn sie einen Oldtimer sehen und jeder Dritte gerne einmal mit einem Oldtimer fahren würde. Vor allem die unter 30jährigen stellen mit 23 Prozent hier die größte Gruppe mit „Interesse an der Fahrt mit einem Oldtimer“. Selbst die Greta-Generation darf sich entspannen, gelten Oldtimer auf Grund ihrer durchschnittlichen Fahrleistungen von weniger als 2.000 Kilometer pro Jahr sowie einem Anteil an der jährlichen Fahrleistung aller Pkw von unter 0,5 Prozent nicht als Umweltsünder.