Die Branche verfügt über viele Tools, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Woran es noch mangelt, das sind der Wille mancher Akteure, die Verlässlichkeit der Politik, die Unterstützung von Behörden und vor allem die Fachkräfte. So lautet das Fazit des 53. Großseminars, das der Verband der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik e.V. vom 11. bis 14. Februar in Willingen, erstmals unter der Leitung des neuen Verbands-Präsidenten Dirk Bennje, veranstaltet hat. 1.100 Führungskräfte erlebten ein hochkarätiges Vortragsprogramm unter dem Motto „Den Wandel gestalten“.

Emotionale Momente gab es zu Beginn des Großseminars im Kongresszentrum Sauerland Stern Hotel: Moderatorin Alexandra von Lingen blickte gemeinsam mit Peter Guttenberger auf 24 Jahre zurück, in denen er an der Spitze des VDBUM gestanden, dem Verband ein Gesicht gegeben und – gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des VDBUM – viele Prozesse angestoßen hat und im Sinne der Mitgliedschaft beeinflussen konnte. Wenige Stunden zuvor war Guttenberger bei der Mitgliederversammlung zum VDBUM-Ehrenpräsidenten ernannt worden und der bisherige Vizepräsident Dirk Bennje, Spartenleiter Technical Division der Hamburg Port Authority, ohne Gegenstimmen zu seinem Nachfolger gewählt worden. „Der kann Navigation“, sagte Moderatorin Alexandra von Lingen, als auch Bennje auf die Bühne trat – dies hatte er nicht nur bei Motorradtouren mit einigen seiner Vorstandskollegen mehrfach unter Beweis gestellt, sondern auch als Vorstandsmitglied seit 2007. Er werde den Verband in Guttenbergers Sinne weiterführen, sagte der neue Präsident, auch wenn sich die Herausforderungen gegenüber denen des letzten Generationswechsels zu Beginn der 2000er Jahre geändert haben. Heute stehen die Einführung von KI-Systemen in Unternehmen, Robotern auf Baustellen und nachhaltige Prozesse bei Herstellung und Antrieb von Baumaschinen auf der Agenda. Die Richtung hat der VDBUM längst in seinem Strategieplan 2030 definiert.
Den Lounge-Talk in der Upland-Arena komplettierten Angela Papenburg, Vorstandsmitglied der GP Günter Papenburg AG, Axel Fischer, Geschäftsführer von Wacker Neuson Deutschland und Holger Schulz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Zeppelin Baumaschinen GmbH als Vertreter*innen der drei Schwerpunktpartner des Großseminars. Branchenflair versprühten Baumaschinensimulatoren, auf denen die zwei Damen und vier Herren Platz nahmen. Die Talkrunde bot einen perfekten Einstieg in die 51 Vorträge des Seminarprogramms. Die Schwerpunktpartner waren jeweils mit mehreren Themen und Referenten am Start. „Nachhaltigkeit ist teuer, aber alternativlos“, sagte Axel Fischer. Wacker Neuson setzt konsequent auf „zero emission“ und verfolgt die Strategie einer offenen Plattform. Die neue Kabine ist mit MiC 4.0-Technik ausgestattet. „Standardisierung ist für Anwender äußerst wichtig“, bekräftigte Angela Papenburg und beklagte, dass „die Politik überhaupt nicht weiß, welche Rahmenbedingungen wir benötigen“. Holger Schulz, berichtete, dass Zeppelin viel Geld in die Hand nehme, um die Niederlassungen klimaneutral aufzustellen. Über Cat Command, ein fortschrittliches Fernsteuersystem, das Bedienern ermöglicht, abseits der Maschine und außerhalb des Gefahrenbereichs zu arbeiten, sagte Schulz: „Wir befinden uns auf einer Reise. Wir haben ein zertifiziertes Produkt und lernen gemeinsam mit den Kunden“. Konsul Christoph Heusgen bot den Anwesenden wenige Tage vor Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz, deren scheidender Chef er ist, einen, wie er es selbst nannte, „kurzen Ritt durch die Weltpolitik“. Er berichtete, wie er Donald Trump und Vladimir Putin bei seinen Reisen mit Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel erlebt hat, was die beiden antreibt und wie sie sich seit ihrem ersten Amtsantritt verändert haben. „Aus meiner Sicht hat nun die Stunde Europas geschlagen.“ Von unserem Kontinent müsse seitens Handel und Verteidigung mehr passieren.
Diskutanten sprechen Klartext
Der Mittwochmorgen startete mit der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Den Wandel gestalten“. Wie sich die Transformation der Baubranche mit Blick auf die Themen Digitalisierung, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit gestalten lässt, das diskutierte Alexandra von Lingen mit Martin Friewald, Sonderbeauftragter der Geschäftsführung „Die Autobahn GmbH des Bundes“ und Aufbaugeschäftsführer der Autobahn GmbH, Martin Zappe, Programmleitung Salcos, Salzgitter Flachstahl GmbH, Ralf Lüddemann, Mitglied des Vorstands der Strabag, Walter Nussel MdL, Beauftragter für Bürokratieabbau der bayerischen Staatsregierung, sowie VDBUM-Präsident Dirk Bennie.
„Wir sind verantwortlich für ein Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes“, erläuterte Martin Zappe. Mit dem Projekt Salcos will die Salzgitter AG die klimafreundliche Stahlproduktion durch den Einsatz von Wasserstoff erreichen. So lange dieser noch nicht verfügbar ist, laute das Ziel CO2-reduzierte Stahlproduktion. Zappe erklärte, dass CO2-neutraler Stahl irgendwann Standard sein werde. Da die Kosten für den Ausstoß weiter erheblich steigen werden, sei dies alternativlos. Die Schlacke, die im Zuge des Salcos-Programms produziert wird, „ist ein hervorragendes Material für den Straßenbau und kann so in die Kreislaufwirtschaft eingebracht werden“, so Zappe.
„Ich versuche, Ihnen wieder mehr Beinfreiheit zu geben“, richtete sich Walter Nussel an die Branchenvertreter. 2018 hatte er den „Praxischeck Bürokratie“ angestoßen und berichtete von Erfolgen. Wichtig sei, ministeriumsübergreifend zu arbeiten. Der wahnsinnige Kontrollwahn müsse aufhören und das Personal effizienter eingesetzt werden.
„Es ist Luft nach oben“, sagte Martin Friewald über die bisherigen Erfolge der Autobahn GmbH. Sie ist noch immer damit beschäftigt, die teils sehr unterschiedlichen Verordnungen der 16 Bundesländer zusammenzuführen. Aktuell fahre man von 1.250 auf 150 Anwendungen herunter. „Die BIM-Pilotprojekte stehen in den Startlöchern“, sagte er. In zwei bis drei Jahren solle dies standardmäßig umgesetzt werden. Der digitale Zwilling käme bei jeder neuen Brücke.
Ralf Lüddemann beklagte, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz das Tagesgeschäft enorm hemme. „Wir müssen uns vernetzen, damit die digitale Baustelle läuft. Alle Akteure am Bau müssen zusammen spielen“, erklärte er. Die Strabag sei Ende 2025 BIM-ready auf rund 100 Baustellen. An Friewald gerichtet, zeigte er sich verärgert drüber, dass der Bau einer Brücke zehneinhalb Jahre dauert – drei Jahre Bau, siebeneinhalb Jahre Planung. „Das muss schneller werden“. Er sei empört darüber, dass in Deutschland, wie in Dresden geschehen, eine Brücke einstürzen kann.
„Ich finde Bürokratie gut – zumindest in einem gewissen Maß“, erklärte Bennje. Dies höre allerdings auf in einem Land, in dem es 16 verschiedene Bauverordnungen gibt. Der Verband sehe sich als Mittler zwischen Herstellern und Anwendern und wolle der Branche als Berater zur Verfügung stehen. „Wir möchten im Vorfeld neuer Verordnungen mit am Tisch sitzen und darauf achten, dass die Dinge umsetzbar sind.“ Er berichtete, dass der VDBUM sich für das Thema digitale Transformation gerade mit dem Experten Dr. Christian Kreyenschmidt verstärkt hat, „denn dieses Thema kann man nicht nebenbei machen.“ Dem angegriffenen Freiwald sprang Bennje zur Seite. Dass nun 4.000 Brücken als direkt gefährdet gelten, läge auch daran, dass es neue Bewertungen gibt.
Beim Thema Fachkräftemangel gingen die Meinungen weniger auseinander. Die eigene Ausbildung sei ein absolutes Fokusthema bei Salzgitter Flachstahl und Strabag. Friewald berichtete, dass jeder, der sich bei der Autobahn GmbH ausbilden lässt, eine Übernahmegarantie erhält. Lüddemann erklärte, dass man auch in Afrika nach neuen Mitarbeitern suche: „Ich wünsche mir endlich eine gute Migrationsdebatte, die sich nicht nur mit kriminellen Menschen beschäftigt, sondern mit denen, die wir in Lohn und Brot führen wollen“. Der VDBUM werde weiter Anstrengungen unternehmen, „um qualifizierte Leute für diese coole Branche zu finden und wir arbeiten daran, diese Branche weiter zu promoten“, versprach Bennje. Sein Fazit der Podiumsdiskussion lautete: „Wir konnten bei vielen Fragen den Finger in die Wunde legen und so auch optimistische Dinge mitnehmen. Der Wandel ist in vollem Fluss.“
Das bestätigten die anschließenden Vorträge in den sechs Blöcken „Human Ressources“, „Innerstädtischer Infrastrukturbau“, „Forschung und Entwicklung“, „Innovative digitale Prozesse“, „Baustelle `live´“ und „Prozessoptimierung Werkstatt“. Genannt seien etwa die Vorträge der Themenpartner des Großseminars, Hansa-Flex (Weniger Kostenfaktor, mehr Wettbewerbsvorteil. Das 360° Schlauchmanagement von Hansa-Flex), Kleenoil (Das Ölmanagement 4.0 – kann mit Investitionen trotzdem ökonomisch und ökölogisch gewirtschaftet werden?) und PreZero (Baubranche recharged – Potenziale des Batterierecyclings richtig nutzen).
Spielerischer Wissenstransfer

Mit seiner Firma bescape bietet Tim Heitmann Serious Escape Games an. Er zeigte auf, dass dies weit mehr als Spielerei, sondern vielmehr ein Möglichkeit für spielerischen Wissenstransfer ist. Aktuell baut er im Auftrag des VDBUM ein Game für die jährliche Sicherheitsunterweisung. Er demonstrierte eine Szene, in der die nächste Ebene nur erreicht wird, wenn erkannt wurde, dass eine Hydraulikleitung des dargestellten Baggers auf einer Baustelle defekt ist. Zur bauma soll die Vollversion vorliegen.
Mit Andreas Zeitler, Geschäftsführer von Vuframe – nach eigener Aussage „Game-Nerd“, der bereits als 16-jähriger sein erstes Game auf den Markt brachte – hat sich Lectura zusammengetan. Er präsentierte gemeinsam mit Chris Domagala, Leiter Unternehmensentwicklung bei Lectura, eine 3D/VR/AR-Lösung, dank der Baugeräte und Maschinen nicht nur vorgeführt werden können sondern sich in realer Größe direkt am geplanten Einsatzort visualisieren lassen. Damit können etwa der Zugang zum Baufeld bestimmt oder die Traglast definiert werden.
Am Ende vieler Vorträge folgten spannende und erkenntnisreiche Diskussionen. Als Beispiel dienen die Vorträge von Aqua Evolution Systems und Oilfix. Die einen hatten „Der Blaue“, ein einfaches und geniales System zum Auffangen von Öl vorgestellt, die anderen eine sichere Lösung, mit der Baggerführer Öl-Leckagen aus der Kabine per Knopfdruck stoppen können. Die Referenten erhielten aus dem Publikum konkrete Vorschläge, wie die Produkte besser promotet werden könnten oder dass man versuchen solle, eine Förderung durch die BG Bau zu erhalten. Netz- und Nutzwerken im besten Sinne also.

Bestens frequentiert war wieder einmal die Fachausstellung. 117 Ausstellende waren im Kongresszentrum und mit größeren Exponaten im Außenbereich vertreten, wobei ein sehr guter Mix von langjährigen und neuen Ausstellern bestand. Neun Start-ups waren mit von der Partie. Erstmals dabei waren auch drei Unternehmen aus dem Bereich Gesundheitsmanagement. Die Gesundheit der Mitarbeitenden gewinne immer mehr an Bedeutung, da Prävention Unternehmen weit weniger kostete als lange krankheitsbedingte Ausfälle und keine Fachkraft lange verzichtbar sei, hatte VDBUM-Geschäftsführer Dieter Schnittjer beim Presserundgang erläutert.

Nicht vergessen werden sollen das VDBUM-Patenschaftsprogramm sowie die Vergabe des Förderpreises. Mit seinen Partnern GP Günter Papenburg, Lectura, Topcon, Strabag und TWF ermöglichte der VDBUM 22 Studierenden und Meisterschüler*innen die kostenlose Teilnahme am Großseminar. „Wir hatten diesmal sogar Wiederholungstäter dabei“, wusste VDBUM-Vorstand Jan Scholten. Gemeint waren damit Studierende, die zu Beginn ihres Studiums Gelegenheit hatten, Branchenluft zu schnuppern und nun zum Studienende Kontakte ausbauen und erste Karriereschritte angehen wollen.
Feste Größe in der Branche
Der VDBUM-Förderpreis wurde auf dem Großseminar zum zwölften Mal vergeben und ist eine feste Größe in der Branche. Er trägt maßgeblich dazu bei, innovative Ideen und Projekte zu fördern und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bei der zweiten Abendgala wurden zunächst die Preisträger in zwei Kategorien geehrt.
Gewinner der Kategorie „Entwicklungen aus der Industrie“ wurde die DMS Baggerschildsteuerung der DMS Technologie GmbH. Der 1. Platz der Kategorie „Projekte aus Hochschulen und Universitäten“ beschäftigt sich mit der Problematik des Fachkräftemangels. Ausgezeichnet wurde der kollaborative Schüttgutroboter, eine Einreichung des Lehrstuhls für Fördertechnik Materialfluss der Technischen Universität München (TUM).
Vergeben wurde auch der „Azubi Sonderpreis“. Die „Azubi Baustelle“, der Hagedorn-Unternehmensgruppe ermöglicht Auszubildenden bei Einsätzen auf echten, regulär abgerechneten Baustellenprojekten schnell einen hohen Wissensstand zu erreichen. In der Kategorie „Innovationen aus der Praxis“ gingen drei von der Jury ausgewählte Bewerber ins Rennen. Dazu waren die rund 800 Besucherinnen und Besucher der Abendgala mit eVoting-Abstimmungstools ausgestattet worden. Dirk Bennje präsentierte die drei Wettbewerbsbeiträge, die die Jury in die Top 3 gewählt hatte und bei denen die Anwesenden nun das Zünglein an der Waage spielen durften. Mit 46,31 Prozent setzte sich die „Hilfsseilkonstruktion für Rückbau einer Schrägseilbrücke“ von Hochtief schließlich gegen die „Suspensionsspiegelwächter Schlitzwand“ der Implenia Civil Engineering GmbH und „Durchgängig digital im Tiefbau“ von der MTS Schrode AG durch.
Eine starke Beteiligung konnte der Tag der Arbeitskreise am Freitag verbuchen. Das Format wurde 2024 erstmals veranstaltet. Zu Beginn der diesjährigen Ausgabe teilten die Sprecher der fünf Arbeitskreise „Elektrotechnik“, „Turmdrehkrane“, „Werkstatt 4.0“, „Baulogistik“ und „Wasserstoff im Schienenverehr“ mit, dass man im Laufe des Jahres nicht untätig gewesen und in Kontakt geblieben ist. Im Anschluss zogen sich die Arbeitskreise zu Gesprächen zurück und versammelten sich schließlich wieder in großer Runde. Die Sprecher berichteten von sehr guten Diskussionen und auch davon, dass konkrete Ziele festgelegt worden sind. Exemplarisch sei hier der AK Werkstatt 4.0 beschrieben. Hier sollen als Testballon für Hersteller und Baufirmen drei modellhafte Baumaschinen digital zusammengetragen und von den Mitgliedern des AK geprüft werden. Das Ziel ist zu ergründen, was sich medienbruchfrei liefern lässt. Alle Arbeitskreise haben bereits weiterführende Gespräche vereinbart.
Auf der VDBUM-Mitgliederversammlung war nicht nur der neue Präsident gewählt worden. Marco Fecke, Vorstandsmitglied seit 2022 ist neuer Vizepräsident, Dirk Jank wurde zum neuen Vorstandsmitglied gewählt. Karl Mitter, ehemaliges Vorstandsmitglied, wurde eine besondere Ehre zuteil. Er war vor Ort und wurde ausgezeichnet für seine 50-jährige VDBUM-Mitgliedschaft.
„Kein Drumherumgerede, keine Werbeveranstaltung – genau das macht die Vorträge zu den wichtigen Themen der Baubranche auf dem VDBUM-Seminar in Willingen so wertvoll.“ So äußerte sich Eric Wilhelm, Managing Director bei Probst, auf LinkedIn. Lars Zimmermann, Vertriebs-/SmartCoach bei Kommunikationsoptimierer, postete an gleicher Stelle: „Gestern bin ich aufgebrochen. Nicht ins Ungewisse, sondern dorthin, wo die Zukunft der Baubranche verhandelt wird: zum VDBUM Großseminar. Und ich muss wirklich sagen – alle, die mit der Baubranche zu tun haben und heute nicht hier sind, verpassen etwas Wichtiges.“
Die nächste Gelegenheit, beim VDBUMGroßseminar dabei zu sein und nichts Wichtiges zu verpassen, besteht vom 10. bis 13. Februar 2026 in Willingen.