Die Automobilwelt befindet sich im Wandel: In zehn Jahren sollen in der EU keine Autos mehr mit Verbrennermotor zugelassen werden, außer für E-Fuels. Der Umstieg auf Elektroantriebe ist im vollen Gange, aber auch Wasserstoff- und Gasantriebe gewinnen an Bedeutung. Eine neu konzipierte Weiterbildung bereitet die Fachkräfte der Kfz-Werkstätten darauf vor.
Schraube um Schraube löst ein Kfz-Mechatroniker den Inverterdeckel im Motorraum des Brennstoffzellenautos. „Da es sich bei einem Wasserstofffahrzeug um ein Hochvoltfahrzeug handelt, muss nach dem Freischalten der Hochvoltbatterie und der Brennstoffzelleneinheit die Spannungsfreiheit nachgewiesen werden“, erklärt Giacomo Albenzio, Technikermeister und Dozent an der Bildungsakademie der Handwerkskammer Region Stuttgart.
An dem deutschlandweit ersten umgebauten Wasserstofffahrzeug mit vorinstallierten Fehlern und Messstellen können die Teilnehmenden der Pilotschulung „Fachexpert/in für alternative Antriebe“ verschiedene Messtechniken, Wartungsarbeiten und sogar eine Störungssuche der einzelnen Subsysteme durchführen. „Mit dem neuen Weiterbildungsangebot gehen wir voran und bieten den Fachkräften in den Kfz-Werkstätten die Möglichkeit, sich für alternative Antriebe fortzubilden und mit der neuesten Technik zu arbeiten“, berichtet Giacomo Albenzio.
Mithilfe situativer Aufgaben und einer dafür entwickelten AR-App dürfen die Teilnehmenden einzeln oder in Gruppen das Wasserstofffahrzeug kennenlernen. Die AR-App hilft Ihnen durch eine simulierte Fahrt und die abschließende Funktions- und Dichtheitsprüfung am Fahrzeug auch weiterführende praktische Kenntnisse zu erlernen. Zusätzlich zum Wasserstofffahrzeug stehen ihnen weitere Fahrzeuge und Funktionsmodelle mit Gas- und Elektroantriebsystemen zur Verfügung, an denen sie arbeiten können.
Neue Technologien, neue Herausforderungen Elektro oder doch Gas und Wasserstoff? Es ist noch unsicher, welche alternativen Antriebe sich durchsetzen werden. Doch die Veränderung weg vom Verbrennungsmotor hat bereits begonnen. Kfz-Technikermeister Simon Nowotni leitet die freie Werkstatt Autoteam plus in Dettingen und beobachtet, dass alternative Antriebe auf den deutschen Straßen immer mehr werden. „Das ist auch der Grund, warum ich diese Weiterbildung mache: Wir dürfen uns dem Markt nicht verschließen und müssen da mitmachen.“
Die Umstellung auf alternative Antriebe ist jedoch für Kfz-Werkstätten mit hohen Investitionen verbunden: Um mit Hochvolt-Systemen zu arbeiten, braucht es spezielles Werkzeug, das Arbeiten mit Wasserstoff erfordert neue Sicherheitsvorkehrungen in den Werkstatträumen und Mitarbeitenden müssen natürlich in allen Bereichen fortgebildet werden. „Dass ich diese Weiterbildung besuchen durfte, ist da wirklich Gold wert“, freut sich Nowotni. „Ich konnte hier das erste Mal an einem Brennstoffzellenfahrzeug arbeiten. Diese geballte Ladung an Wissen und die Vielfalt an Technik und Ausrüstung bietet enorm viele Möglichkeiten, die ich so in meiner eigenen Werkstatt nie hätte.“
Als Teilnehmer des Pilotkurses, der im Rahmen des Projekts „CARS 2.0 – Cluster Automotive Region Stuttgart 2.0 Transformationsnetzwerk für den Fahrzeug und Maschinenbau“ konzipiert wurde, und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird, konnte Simon Nowotni die Schulung kostenfrei absolvieren. In Zukunft wird der Kurs als Teil des Kursangebots der Bildungsakademie der Handwerkskammer Region Stuttgart kostenpflichtig angeboten. Das schreckt den Werkstattinhaber nicht ab: „Als nächstes werde ich meinen Werkstattleiter in die Schulung schicken, auch wenn es dann was kostet. Um die Zukunft aktiv mitzugestalten, lohnt sich das auf jeden Fall.“