Walter Röhrl ließ sich Zeit. Zwar war mit seinem Arbeitgeber Audi ein Treffen im französischen Wintersportort Flaine verabredet, doch offensichtlich hatte er kein großes Verlangen danach, die Journalisten vom „Stern“ zu treffen und ließ sie schmoren. Tag um Tag verging, nur Röhrl kam nicht. Flaine ist eine der typischen französischen Bausünden der 1970er Jahre, und so verbrachten sie die Zeit zwischen trostlosen verschneiten Betonburgen – und warteten.
Alle anderen Piloten, die Michelin-Experten und natürlich auch die Audi-Mannschaft waren vor Ort und testeten die Reifen, die einige Wochen später bei der Rallye Monte Carlo zum Einsatz kommen sollten. Nur Röhrl ließ sich Zeit. Der zweifache Rallye-Weltmeister, der jetzt 75 Jahre alt wird, hatte stets ein ambivalentes Verhältnis zu seinen Sponsoren. Ihm ging es allein um den Wettbewerb, und Termine, bei denen er Einblick in seine Person geben sollte, waren ihm ein Greul.
Irgendwann tauchte er doch auf, schließlich musste er die Reifen ja auch kennenlernen und war sichtlich überrascht, dass sie einfach gewartet hatten und überschüttete die Stern-Mannschaft direkt mit einer heftigen Kritik. Wenige Wochen zuvor hatte ein Kollege gewagt, den Audi 200 Turbo, damals das schnellste Modell der Ingolstädter, zu kritisieren, und das passte nun gar nicht in das Weltbild des Mannes aus Regensburg. „So kann man nicht über diese technische Meisterleistung schreiben“, war seine Überzeugung. Irgendwann allerdings waren die Wogen geglättet, und Röhrl sprach mit ihnen, ließ auch die Wünsche des Fotografen über sich ergehen, und das Portrait war im Kasten. Unvergesslich war danach die Beifahrt im Rallye-Quattro über die verschneiten Pisten. Der Mann hatte und hat wahrscheinlich immer noch, ein einmaliges Gen, um Rennwagen zu bewegen.
Röhrl und seine Sponsoren – ein endloses Thema. Als Opel sich von einem englischen Tabakkonzern unterstützen ließ, liefen die Kontakte eigentlich über eine strenge PR-Frau, die versuchte, alle Kontakte mit der Presse zu kontrollieren. Für Röhrl war das keine Option, und seine Kommentare über die Dame und das Unternehmen, das immerhin sein Gehalt zahlte, waren nicht gerade druckreif. So traf man sich am Rande der Rallye San Remo 1982 unkontrolliert zu einem Gespräch, was die Dame danach in Rage brachte. Am Ende der Saison waren die Verpflichtungen gegenüber dem Sponsor auch der entscheidende Grund, warum Röhrl mit seinem Beifahrer Christian Geistdörfer zu Lancia wechselte.
Damals kämpfte er gegen die Französin Michelle Mouton, die sich anschickte, mit dem Audi Quattro die Rallye-Weltmeisterschaft zu gewinnen. „Mit dem Auto kann jeder dressierte Affe gewinnen“, hatte er sich über die Erfolge der Kollegin geäußert. Der gebürtige Oberpfälzer fand die Vorstellung, dass ihn eine Frau überholen konnte, nicht sehr reizvoll. Am Ende der Saison stand dann dank eines Fahrfehlers der Französin bei der Rallye Elfenbeinküste doch der WM-Titel, und die Welt war wieder in Ordnung. Gleichzeitig wurde er auch afrikanischer Rallyemeister, obwohl er die Veranstaltungen dort überhaupt nicht schätzte.
Röhrl begann seine automobile Karriere als Chauffeur im Bischöflichen Ordinariat Regensburg, wo er einen Verwaltungsbeamten durch das Bistum fuhr. In der Boulevardpresse wurde daraus dann der „Chauffeur des Bischofs“. Klingt gut, ist aber falsch. Obwohl sein ältester Bruder bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, startete Röhrl 1973 seine Karriere als Profi-Rallye-Pilot. Er hätte möglicherweise auch als Skirennläufer erfolgreich sein können, doch eine Verletzung machte diesen Weg zunichte. Immerhin wurde er staatlich geprüfter Skilehrer.
Die Karriere des Walter Röhrl nahm einen spektakulären Verlauf. Ob er nun Boliden von Opel, Lancia, Fiat, Audi oder Porsche lenkte, am Ende stand immer der Erfolg. Zweifacher Rallye-Weltmeister in einer Epoche, als die Veranstaltungen noch deutlich anspruchsvoller waren als heute, Rallye-Europameister und Siege bei Rundstreckenrennen reihen sich aneinander. Wobei dem Regensburger das Kunststück gelang, nicht nur bei Rallyes ganz oben zu stehen, sondern auch bei Rundstreckenrennen, was den wenigstens Rennfahrern gelungen ist. Geholfen hat ihm bei den Erfolgen seine fast schon an Pedanterie heranreichende Vorbereitung. Röhrl überließ nichts dem Zufall. Für den Mann aus Regensburg ging es stets um die optimale Verbindung von Mensch und Maschine. Von diesem Wesenszug profitiert heute Porsche, wo Röhrl als Teil der Entwicklungsabteilung neue Modelle testet.
Walter Röhrl ist stets ein bodenständiger Mensch geblieben. Homestories in Magazinen gibt es nicht und sein Privatleben ist genau das – eben privat. Und deshalb gab es auch keine großen Feiern zu seinem 75. Geburtstag. Stattdessen ging er Skifahren.//